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Nachlaà gewähren würde, nachdem ein Vertrag einmal geschlossen worden ist. Mehrere Wochen lang versuchten die beiden Bulgaren, die der Nachbar als Inhaber vermutete, wie in Stummfilmen ein Dicker und ein Schmächtiger, den übrigen Mietern die Waschmaschine aufzuschwatzen, die sie in den Hauseingang gestellt hatten (Lieferung inklusive). Als nächstes deckten sie die Schaufenster mit Packpapier zu, um wenig später mit rot-weiÃen Luftballons die Eröffnung eines Mobiltelefongeschäfts zu feiern, in dem zugleich Pakete angenommen wurden. Der Schmächtige mit dem Schnurrbart, der stets grimmig guckt, kaufte und verkaufte linker Hand die Telefone, sein dicker, immer gutgelaunter Kompagnon, der so nett war, sich während der FuÃballweltmeisterschaft um einen Fernsehtechniker zu bemühen, nahm rechter Hand die Pakete an. Oft war nur einer von beiden im Laden, und wenn es gerade der Falsche war, versicherte er, daà der Richtige in spätestens fünf Minuten zurück sei, also im Laufe des Tages. Sechs Monate nach der Eröffnung deckten der Dicke und der Schmächtige ihre Schaufenster wieder mit Packpapier zu. Unterdessen bat der Vermieter schriftlich um Verständnis, das Ladenlokal notfalls einem Wettbüro zu überlassen, falls er keinen anderen Mieter finde. Monate später gingen wieder Handwerker ein und aus, dann Putzfrauen, aber als das Packpapier abgehängt wurde, kam nicht das befürchtete Wettbüro zum Vorschein, sondern ein Teppich-Paradis , Paradies ohne e, in dem seit dem ersten Tag ausnahmslos alle Teppiche »topreduziert« sind, ein ganzes Geschäft aus maschinengewebter Billigware in himmelschreienden Farben als immerwährende Sonderangebote, wie ja auch im Krieg gegen den Terror der Ausnahmezustand permanent wird: »Hammer Optik! Hammer Preise!« Zwei Euro kostet der günstigste Lappen, keine zweihundert die teuerste Brücke. Zur Eröffnung fehlten die Luftballons genausowenig wie die groÃen BlumensträuÃe des Supermarkts und anderer Nachbargeschäfte mit dem rot-weiÃen Gedenkband wie an deutschen Trauerkränzen, der schwarze Schriftzug mit dem Glückwunsch freilich auf türkisch, obwohl das Teppich-Paradis von niemand anderen als den beiden Bulgaren betrieben wird. Na gut, nach so vielen Jahren in Köln werden sie schon die Sprache gelernt haben. Als der Nachbar vor zwanzig Jahren ins Viertel zog, waren die Gemüsegeschäfte, Restaurants und Imbisse auf deutsche Kundschaft ausgerichtet und entsprachen deshalb der Vorstellung, die sich Kriminalserien von Türken machen, der kleine nette Familienbetrieb, die Kinder helfen aus, im Sommer vier Wochen geschlossen für den Heimaturlaub. Mehr und mehr sehen die Restaurants und Geschäfte aus wie in der Türkei. Der Supermarkt hat bis auf den Edelmetzger, in dem weiterhin Fernsehprominenz einläuft, alle Familienbetriebe in den Ruin getrieben, dabei einige der früheren Besitzer oder Mitarbeiter als Angestellte übernommen. Die meisten Restaurants haben Plastikfolien auf den Tischen statt der handgestickten Decken, in Plastik eingeschweiÃte Speisekarten statt täglich wechselnder Aushänge und Alpenpanoramen an den Wänden statt der Poster des türkischen Fremdenverkehrsamts. Statt der anatolischen Laute im Hintergrund läuft im Vordergrund türkisches Popfernsehen. Alkohol wird nicht mehr ausgeschenkt, dafür sind die Speisen würziger, das Angebot reicher, die Zutaten frischer, so daà die Deutschen, Iraner und anderen Fremden die Restaurants genauso wie den Supermarkt oder den Friseursalon häufiger besuchen als früher die Familienbetriebe. Vor allem aber kommen jetzt die Türken, die auÃer in den Teestuben früher nur Personal war: an den Wochenenden die frisch verbürgerlichten Vorstädter, mittags hingegen die Arbeiter neben den Krawattenträgern aus den Versicherungen, abends dann und bis zum frühen Morgen vor allem junge Leute in unglaublichsten Konstellationen, die schwarzen BMW s mit ihren blonden Eroberungen neben Studenten der zweiten Generation, am Nachbartisch der schwarzen Nutten die hochgestylten jungen Mädchen mit und ohne Kopftuch, aber niemals ohne sex appeal , in verblüffend ähnlicher, schwarzer Uniformität Kreativwirtschaft und Sicherheitspersonal, die Viertel-, Halb- und manchmal der eine Vollverrückte des Viertels, das Publikum der anliegenden Szenekneipen vor
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