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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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mittel für weitere Texte der früheren Schichten und schmale Grotesk schwer für weitere Texte der späteren Schichten. Durch Striche, drei Formen der Klammer, Unterstreichungen, Unterpunktungen, Balken, Schrägstriche, Fragezeichen, Leerstellen und Zahlen sind außerdem unterschieden: gestrichener, überlagerter, eingeklammerter, nicht entzifferter, unsicher entzifferter, verlorener und nicht sicher als Streichung erkennbarer Text, Ergänzungen innerhalb eines Wortes und Ergänzungen innerhalb einer Linie, Einfügungs- und Trennlinien sowie Zeilenzählungen. Die jeweiligen Textphasen (lateinische Zahlen) sind in der typographischen Umschrift noch einmal aufgeteilt in Phasensegmente (lateinische Großbuchstaben). Die Einträge fremder Hände auf den Manuskriptblättern werden durch verschiedene Typen der Antiqua kenntlich gemacht. Neben dem Faksimile und der Transkription steht als Vorstufe zum sogenannten »emendierten Text« noch die Aufstellung der möglichen Lesarten. Mit Hilfe weiterer Schrifttypen und -größen, Zahlen, Pfeile, Klammern und Striche bietet die Aufstellung immerhin noch etwa zwanzig zusätzliche Möglichkeiten an, die Varianten, Zeilenumbrüche und Verszählungen desselben Textes sowie die editorischen Bemerkungen und Eingriffe darzustellen und damit die Emendation überprüfbar zu machen, was im dringlichen Duktus des Herausgebers immer ein bißchen wie Emanation klingt, dem Ausfluß aller Dinge aus dem göttlichen Einen. Den Nachdichtungen ist zusätzlich das griechische oder lateinische Original sowie eine Interlinearversion beigegeben, deren Grundsätze im fünfzehnten Band gesondert formuliert sind. Fürs erste wollen nur die neun Varianten des Schriftsatzes gelernt sein, die der Herausgeber einführt, um Hölderlins Nachdichtungen von den originären Texten zu unterscheiden. Was die editorischen Abkürzungen anbelangt, kommt er anfangs mit vierzehn aus, weniger als in der gewöhnlichen Edition einer arabischen Handschrift. Zur Differenzierung von ss und ß muß man im siebzehnten, zur Zeichenerklärung der Strophendiagramme im vierten Band nachschlagen. Gewidmet ist die Ausgabe, zu naheliegend, um es vermutet zu haben, »Dem Andenken Adornos«, in der Einleitung der Satz aus der Negativen Dialektik , daß Wahrheit nicht plausibel sei. »Zu widerstehen ist der fast universalen Nötigung, die Kommunikation des Erkannten mit diesem zu verwechseln und womöglich höher zu stellen, während gegenwärtig jeder Schritt zur Kommunikation hin die Wahrheit ausverkauft und verfälscht.« Die Faksimiles enthalten, weil von den Manuskripten auch diejenigen Rückseiten abgebildet sind, die Hölderlin nicht beschrieb, manchmal nur ein paar Tintenflecken – oder nichts. Andere sehen wie abstrakte Gemälde aus. Daß Hölderlins Schrift für keinen Laien zu entziffern ist – gut. Aber auch die Transkription, die auf der jeweils gegenüberliegenden Seite steht, läßt sich nicht im herkömmlichen Sinne lesen, ahmt sie doch sämtliche Korrekturen, Ergänzungen, Streichungen nach, die Hölderlin an seinen Texten vornahm. Auf den ersten Blick könnte man die linearen Textdarstellungen für Computerlinguistik halten. Manche Blätter hat Hölderlin umgedreht, um in die Lücken ein zweites, drittes Gedicht hineinzuschreiben, oder er hat freie Stellen an den Rändern genutzt, weil das Papier knapp war, so daß auch ich für die Lektüre der Transkription das schwere und wie zur Drohung giftgrüne Buch umdrehen muß. Über den Zeilen »Ach! schlummert’ ich am murmelnden Moosquell noch / Ach träumt ich noch von Stellas Umarmungen« steht kopfüber: »Lebt wol, lebt wol ihr Spielgenoßen, / Weint um den Jüngling er ist verachtet!« Das führt ganz woandershin, als wenn man einfach weiterlesen würde: »Doch nein! bei Mana (m)nein auch Streben / der Schwächeren / Ziert, auch vergebener Schweis ist edel.« Unten beziehungsweise oben sind noch Zeilen aus einem dritten Gedicht zu lesen, über die Seite verteilt außerdem die Überarbeitungen und Korrekturen in jeweils unterschiedlichem Schrifttypus, die Hölderlin zu verschiedenen Zeiten vorgenommen. Bot das Schnäppchen immerhin noch einen fortlaufenden Text, verlaufen die Buchstabenreihen in der Frankfurter buchstäblich kreuz und quer. Ich lese nicht mehr Gedichte

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