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überraschend anschaulich und auch wirklich sehr schön, wenn er endlich die Erweckung beschreibt, die wenigstens familiär Legende ist. In Köln gelingt es dem Enkel nicht mehr, aber sofort nach der Ankunft in Rom wird der Roman, den ich schreibe, eine Erweckung erhalten, ob sie auch neunzig Jahre her ist. In Köln gelingt ihm nichts mehr auÃer dem Mechanischen, der vierzehnten Verwertung seines Integrationsvortrags, dem vierhundertsten Mal Emphase, mit dem er aus diesem oder jenem Roman liest, den ein anderer geschrieben zu haben scheint, dazu die Korrespondenz und die Besorgungen, die nun allerdings weniger geworden sind, da die Frau und die Frühgeborene in Köln bleiben werden. Die Bemerkungen zum Karneval hat er nur deshalb nachgereicht â Aschermittwoch war gestern â, um den Absatz überhaupt mit etwas anzufangen. Er saà am Schreibtisch, der Tag war vorübergegangen, ohne schon zu Ende zu sein, etwa zehn Uhr, und er auÃerstande, noch etwas zu erledigen, zu lesen oder die Zeit mit dem Roman zu vertreiben, den ich schreibe, bis ihm nach einer halben oder dreiviertel Stunde der Karneval einfiel, die Postbeamten und der Veedelszug mit der Ãlteren, die vor der Abreise nach Rom noch erwähnt werden könnten. Jetzt ist es halb zwölf und Zeit, den Tag, den Absatz und bis auf weiteres Köln guten Gewissens zu beenden. Rings um den Schreibtisch Kartons, da der Romanschreiber das Büro für die Polin leerräumen muÃ, die das Jahr über darin wohnt, also eigentlich nur die Regale, was das gleiche ist. Den Tag verbrachte er mit Entscheidungen, welche Bücher mit nach Rom und welche in den Keller kommen. Was ihn am meisten deprimiert, ist die Aussicht, das Jahr in Rom ohne die Frühgeborene zu verbringen. Wenn die Frau diesen Satz läse, würde sie erst recht in Köln bleiben.
Die Entscheidung, die er in der buchstäblich letzten Minute noch traf, verspricht schwer zu wiegen auf seiner Reise. Beim Herausgehen fiel der Blick auf den Karton mit den alten Briefen, den Briefen auch aller Geliebten, den er auf der Ablage über der Tür vergessen hatte. Nicht nur das: Der Karton erinnerte ihn an die Tagebücher des Heranwachsenden, die auf dem obersten Regalboden verstaubten. Er nahm die Leiter aus dem Bad, klappte sie vor der Tür auf, holte den Karton herunter und setzte ihn genau in der Mitte des leergeräumten Büros ab, trug die Leiter zum Regal und holte die Tagebücher herunter, legte sie auf den Karton mit den Briefen und war plötzlich vor die Hinterlassenschaft seiner eigenen Biographie gestellt. Er überlegte, ob er die Briefe und Tagebücher etwa mit nach Rom und damit zwangsläufig in den Roman aufnehmen sollte, den ich schreibe, daà sie ihm als allerletztes vor die Augen traten, da der Keller längst abgeschlossen war und im BMW Kombi gerade noch ein Eckchen Platz neben dem Enkel, Mann, Vater, Berichterstatter, Orientalisten, Kollegen, Nachbarn, Navid Kermani, Romanschreiber und so weiter. Die Schlüssel noch in der Hand, die Leiter schon zurückgestellt ins Bad, überlegte er drei, vier Minuten, bevor er die Tagebücher in den Karton steckte und den Karton leichten Herzens in den Keller trug, ins Büro zurückkehrte, die Schlüssel auf die Schreibtischplatte des Schreiners legte, dem Gott ein langes Leben schenken möge, und das Büro verlieÃ. Weil die Kinder bereits schliefen und die Frau nichts von ihm wissen wollte, wechselte er die StraÃenseite zu seinem ebenso persönlichen wie ewigen Frieden, um den letzten Abend in Köln ohnehin standesgemäÃer bei einer Niederlage seines zweitklassig gewordenen FuÃballvereins zu verbringen. Obwohl er nach neunzig Minuten restlos bedient war, richteten die Sensorenblocker, die er am nächsten Morgen gegen die Kopfschmerzen nahm, soviel aus wie die Abwehr seines Vereins gegen die Stürmer der gegnerischen Mannschaft. Er schmiegte sich eine halbe Stunde an die Frühgeborene, die noch schlief, und fuhr die Ãltere zur Schule, die das letzte leere Eckchen mit ihren Rollschuhen gefüllt hatte. Auf dem Weg nach Rom nahm er noch von seinen Eltern in Siegen Abschied, ohne über die Tüte mit Essen zu stöhnen, die die Mutter ihm weinend in die Hand drückte. Morgens um fünf war sie aufgestanden, um mit dem Hackfleisch, das sie noch in der Kühltruhe hatte, persische Frikadellen zuzubereiten. AuÃerdem befanden sich in der
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