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Tüte Obst, Joghurt, Schokoriegel, Karamelbonbons, Besteck, Brot, Tomaten, Gurken und Käse. Was ihn am meisten deprimiert: daà sich etwas, was man sein halbes Leben lang aufgebaut, wofür man gekämpft, womit man geatmet und Leben geschöpft hat, mit einem Fingerschnipsen in nichts auflöst. An der Frau schockiert ihn die Leichtigkeit, mit der sie es seiner Ansicht nach annimmt. Sagt schon wieder freundlich Guten Morgen und Schlaf gut. Selbst wenn, argumentiert er im Selbstgespräch, selbst wenn hinter der Fassade etwas wäre â allein, daà sie die Fassade aufrechterhalten kann. Auf der Autobahn halbstündlich helle Aufregung über den türkischen Ministerpräsidenten, der seine Landsleute vor Assimilation warnt, als sei das in Deutschland je möglich gewesen, der Besuch seines israelischen Amtskollegen in Berlin, der keine und damit auch nicht die Option ausschlieÃt, den Atommeiler bei Isfahan zu bombardieren, Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst, als Hörbuch Thomas Mann im Original, der Herrgott noch mal so betulich liest wie der Autofahrer die Joseph-Tetralogie im Verdacht hatte. Auf der zweiten CD folgte ein Ausschnitt aus dem Erwählten , den Erika zu Hause in Santa Monica mit dem damals gerade erfundenen Tonbandgerät mitschnitt. Der Vater nahm die Aufnahme nicht ernst, wie Erika sich in einer Vorbemerkung erinnert, lieà sie nur so eben geschehen, enthielt sich des Kommentars und fragte nie wieder nach, Thomas Mann am Küchentisch, so stelle ich es mir vor, mit Frau und Tochter, die Tochter hat sich für viel Geld so einen merkwürdigen, neumodischen Apparat besorgt, die reine Geldverschwendung, aber so ist die Erika, so war sie immer, kann keine Mode auslassen, und sechzig Jahre später hört ein deutscher Stipendiat auf dem Weg in die Deutsche Akademie Thomas Mann am Küchentisch lesen. In Oberpfaffenhofen, das der Stipendiat gegen 14 Uhr passierte, übernahm an diesem Tag das Raumfahrtzentrum die Kontrolle über eine Fähre, die durch das All gleitet. Der Musiker, bei dem er den zweiten Halt einlegte, hat in München eine neue, groÃzügige Wohnung bezogen, die nach Anfang riecht, egal, was der Musiker noch sagt, ein Anfang, natürlich, weil Rückkehr niemals mehr möglich. Nachts fuhr er weiter Richtung Starnberger See, an dessen Südufer der Bildhauer zur Rehabilitation liegt, fand am Nordufer spätnachts ein Hotel mit Whirlpool im Bad, nur hatten leider die Kopfschmerzen schon aufgehört, so daà sich der Aufpreis nicht lohnte. Der Freund aus Köln hatte den Eindruck, er würde dem Musiker zur Last fallen, wenn er wie geplant nachts bei ihm übernachtete. Dessen Zustand schwankt heftig, manchmal schläft er gar nicht, an anderen Tagen sechzehn Stunden. Wäre der Freund über Nacht geblieben, hätte der Musiker sich den Wecker gestellt. Der Bildhauer ist vorgestern operiert worden, ein neuer Schock, denn aus dem Routineeingriff wurde eine dreistündige Herzoperation, ohne die er bald an einem Herzinfarkt gestorben wäre. Insofern war es Glück. Wieder Intensivstation, klagte der Musiker, ich kann das nicht mehr, beschwerte sich, so klang es, obwohl der Musiker es bestreiten würde: Habt ihr da oben eine Schraube locker? Gestern nachmittag ist der Bildhauer zurück in die Rehabilitation gebracht worden, wohin der Freund jetzt, am Mittwoch, dem 13. Februar 2008, um 10:43 Uhr von seinem Hotel am Starnberger See aufbrechen wird, um das Kreuz zurückzubringen, das die Evangelische Kirche Deutschlands offenbar nicht will, bevor er Rom als Bestimmungsort tippt, Largo di Villa Massimo 1.
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Veronika Bayer (4. Juni 1940 Stuttgart; 31. Januar 2008 Bochum) ( Bildnachweis )
Von Veronikas Tod erfuhr ich bei meiner Ankunft in Rom. Frühmorgens war ich in den Dolomiten noch auf den Berg, um Ski zu fahren, um halb drei ins Auto, viel Verkehr und ich in Eile, um den Hausmeister nicht aus dem Schlaf reiÃen zu müssen. Zehn Uhr war vorüber, als sich das groÃe Eisentor öffnete und ich wie ein Lord oder FuÃballstar in den filmreifen Park der Villa Massimo einfuhr, amüsiert über meinen verdreckten, bis unters Dach vollbeladenen alten Kombi, der aus dem Film eine Komödie machte. Der Hausmeister führte mich durch das Atelier, in dem ich den Rest des Jahres wohnen würde, und war so freundlich, auch schon meinen Laptop ins Netzwerk einzuloggen. Nachdem ich das Auto
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