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jemand anders finden (opfern), wenn schon Revolution, dann permanent. Er selbst wird bloà noch darum kämpfen, daà die Handschriften mit herkömmlicher Technik photographiert werden und nicht digital, zeigt unter der Lupe die Konturen, die die Pixel nicht erfassen, etwa die Punkte, die Hölderlin mit tintenloser Feder ins Blatt gedrückt hat, Hinweiszeichen, ist der Herausgeber überzeugt wie von allem, Markierungen für spätere Leser. Hölderlin habe gewuÃt, daà jemand die Manuskripte aus dem Meerboden der Vergessenheit heraufholen würde â wie der Herausgeber den Drachen, denkt der Leser, der auf dem Blatt die zwei farblosen, länglichen Einkerbungen erkennt. Der Herausgeber vermutet, daà sie ein Hinweis seien, die Worte »ab und auf« in eine eigene Zeile zu bringen. Beinah habe er die Einkerbungen zu spät entdeckt, aber zum Glück noch einmal alle Blätter überprüfen können, weitere Konturen gefunden, RegelmäÃigkeiten. Es gehe um Manuskripte, die noch immer Ãberraschungen bereithielten. In der digitalen Aufnahme sei der Hinweis ein für allemal verloren. Hat lange Briefe geschrieben an die Stuttgarter Landesbibliothek, der die analoge Erfassung zu teuer ist, hält die ausgeliehenen Blätter zurück, damit Stuttgart keine Tatsachen schaffen kann, bis er die Finanzierung auftut, hofft auf den Verkauf des Fossils. Unternimmt den Versuch, mit dem Leser gemeinsam die Frankfurter Ausgabe zu lesen, sucht erst einen, dann zur Probe mehrere Verse in ihren verschiedenen Varianten und Kontexten, verfängt sich in den Siglen, lacht, daà das Register eigentlich ein eigenes Register brauche. Wie die Anmerkungen sie schon haben, denkt der Leser. Ebenfalls ein Wahlspruch: Es geht nicht um schnellstmögliche Erfassung, sondern um Qualität. Die dann verbreitet werden soll, gibt der Herausgeber dem Leser recht, der nach dem Schnäppchen fragt. Im »Persönlichen Bericht«, der dem zwanzigsten Band vorangestellt ist, kritisiert er selbst, daà sein Editionsmodell zum Dogma geworden sei. Er hingegen, denkt sich der Leser hinzu, glaubt an Hölderlin, weil dieser und damit dieser gebraucht werde, darin selbst ein Prophet. »Erzähl deinen Kindern lieber nichts, falls nicht bereits geschehen, da ich mir noch unschlüssig bin, was genau ich sage und wann. Ich habe nicht vor, ein Geheimnis daraus zu machen, sondern möchte nur am Anfang behutsam sein, vor allem auch Pudding gegenüber. Sie sollen erst einmal den Rückflug überstehen, der anstrengend genug ist.« Später spricht der Herausgeber von »Ihrer Leseausgabe«, als habe er sie eigens für den Leser erstellt. Es wirkt nicht herablassend. Sowenig wie um Tempo geht es um Quantität, fünfzig Jahre kein Wert an sich. Wie in seiner Ausgabe verirrt er sich auf dem Rückweg zum Bahnhof, verfährt sich vor lauter Reden mehrfach, so gut er Kleinstadt und Ausgabe kennt. Was alles erledigt werden will, wenn man unversehens für Wochen oder Monate nicht zu erreichen sein wird, die allernötigsten Besorgungen, rasch noch zwei Texte abliefern, drängende Briefe kurz beantworten und sonst nur Absagen, Entschuldigungen, Benachrichtigungen. Wundersam schnell kristallisiert sich heraus, auf wen Verlaà ist, und wie wichtig, daà man sich verlassen kann. Daà der Musiker in München, abgesehen von allem anderen, dem Sterben seiner Mutter, der unmittelbaren Lebensgefahr und dem viel schlechteren Zustand, buchstäblich mutterseelenallein war, kommt dem Freund am Montag, dem 28. April 2008, um 1:54 Uhr in Rom noch schauderhafter vor. Die Hilflosigkeit der Mitmenschen, von denen der Musiker gesprochen hatte, erkennt der Freund sofort wieder. Plötzlich ist er es, der auf der anderen Seite steht, in der Akademie alle anderen Nummern bis hin zum Direktor so unsicher wie die Nummer zehn sonst auch jedesmal war. Die Nummer sechs fragte nach der Koinzidenz zwischen der Erkrankung des Hodens und der Beschäftigung mit Hölderlin. Die Nummer zehn wies darauf hin, daà Hölderlin oft masturbiert habe, insofern gestehe selbst die Germanistik einen Zusammenhang zwischen Hoden und Hölderlin zu, der im Jahrgang 2008 der Deutschen Akademie Rom nur noch Hodenlin heiÃen wird, solche Witze halt, wie sie auch im Hodenkrebs-Chat üblich sind, in dem sich die Frau umgetan hat, wie schön, daà sie sich sorgt. Unter den verschiedenen Typen des
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