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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Jordan, von der Großvater nur berichtet, daß sie vorzüglich Klavier spielte, habe äußerlich dem Bild der traditionellen viktorianischen Gattin entsprochen, zurückhaltend und gottesfürchtig. Ihr Wesen jedoch nennt Zirinsky »revolutionär«. Als Mitglied des Kollegiums sorgte sie dafür, daß alle Schüler, also auch Großvater, mindestens einen Aufsatz über die Gleichberechtigung anfertigten und im Chor den folgenden Satz aufzusagen wußten: »Kein Land wächst höher als seine Frauen.« Mit den iranischen Frauenrechtlerinnen der zwanziger und dreißiger Jahre stand Mrs. Jordan in engem Austausch und wandte sich zugleich öffentlich gegen die Ankündigung Reza Schahs, den Tschador zu verbieten. In einem kurzen Text, der 1935 ebenfalls in The Muslim World erschien (Mary Park Jordan, »Persian Women Move Forward), zitiert sie eine der Frauenrechtlerinnen, mit denen sie befreundet war: »Wir kämpfen für das Aufheben des Schleiers der Ignoranz und des Aberglaubens, nicht für das Verbot eines Kleidungsstücks.« Doktor Jordan selbst schreibt in seinem Aufsatz: »Indem Mrs. Jordan und andere Gattinnen der Kollegiumsmitglieder an der Schule lehrten, überzeugten wir die Söhne des Adels und der Eliten, daß auch Mädchen unterrichtet werden können. Indem in unserem Kollegium die Ehepaare zusammenarbeiteten, überzeugten wir unsere Schüler, daß sie später auf gut ausgebildeten Ehefrauen bestünden, die ihnen echte Gefährtinnen, Freundinnen und Vertraute sein würden.« Na, Großvater scheint noch nicht ganz so emanzipatorisch gedacht zu haben, als er Urgroßvater bat, ihm eine Braut vorzustellen. Sattareh Farman Farmaian erwähnt – muß ich das jetzt auch noch erwähnen? –, daß sie jedesmal erstaunt gewesen sei zu beobachten – genau diese Details sind doch wichtig –, wie die amerikanischen Lehrer ihren Kindern die Jacken anzogen oder ihnen das Butterbrot in den Ranzen steckten. »Voll Neid versuchte ich mir vorzustellen, wie diese hellhaarigen, blauäugigen Väter am Abend nach Hause kamen, um mit ihren Frauen – oder besser gesagt, ihrer Frau – und den Kindern zu Abend zu essen.« 15:22 Uhr schon, der Enkel muß wirklich los, will rasch nur einen Blick in das letzte Buch aus der Bibliographie Zirinskys werfen, das zum Bestand der Kölner Orientalistik gehört, Laleh & Rose Bakhtiar, Helen of Tus: Her Odyssey from Idaho to Iran (Chicago 2002). Nein, das kann nicht wahr sein, das nimmt ihm keiner ab: Laleh Bakhtiar ist keine andere als die Tochter jenes Abolqasem Bachtiar vom Stamm der Bachtiaren-Nomaden, dem Großvater einen ganzen Abschnitt widmet, dieser freundliche, etwas naive Hüne, dreißig, fünfunddreißig Jahre alt, glatzköpfig, der eine Gruppe von Kindern aus vornehmen Familien seines Stamms begleitete und Doktor Jordan so lange zusetzte, bis der ihm halb achselzuckend, halb gerührt erlaubte, sich in Großvaters Klasse zu setzen, wo er sich keine einzige Vokabel merkte. Bei seiner Tochter Laleh, die wiederum das Leben ihrer amerikanischen Mutter Rose erzählt, lese ich nun, daß er damals schon vierzig Jahre alt war und erst dem Alkohol und dem Opium abschwören mußte, bevor ihn Doktor Jordan schließlich zum Unterricht zuließ. Ja, wie Großvater richtig vermutete, hat Herr Bachtiar ein aufregendes Leben geführt, das 1971 in Teheran neunundneunzigjährig endete. Die Tochter hat ihm, sehe ich gerade in der Bibliographie, auch ein eigenes Buch gewidmet, eine ganze Biographie, Abolqasem of Tus , das womöglich ebenfalls zum Bestand der Kölner Orientalistik gehört. Großvater bedauerte, daß Herr Bachtiar seine Erinnerungen nicht aufgezeichnet zu haben schien, da er eigentlich sowenig über ihn wußte und ihn nur erwähnen wollte, »um die Seele dieses ehrenwerten und lieben Menschen zu erfreuen und die Leserschaft zum Staunen zu bringen, was ein Mensch allein durch Willensstärke, Fleiß und Leidenschaft zu erreichen vermag«. Großvaters Seele wird es erfreuen, daß jemand anders Herr Bachtiars Leben beschrieb. 15:43 Uhr. Der Enkel wird rennen müssen, um noch pünktlich in der Radiologie zu sein, und schwitzend dort ankommen, aber so Gott will nicht aus Angst.
    Zum Bundesbruder ist dem Patienten in Zimmer Nummer 8581 sein Bankberater geworden, den er im Wartezimmer der Radiologie mit

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