Dein Name
Wunde, aus welcher der Chef der Uroonkologie den Hoden heraufgeholt hat, der blutdurchtränkte Verband, den gewechselt zu bekommen selbst von den anmutigsten Frauenhänden ekelhaft ist, und alle zwei Stunden reiÃt jemand ohne anzuklopfen die Tür auf, um, mit einem Bein noch im Flur, zu rufen, dann wollen wir mal sehen, die Krankenschwester, der Stationsarzt, die eigenen Brüder, die Visite mitsamt Studenten und Studentinnen, die Nummer 8581 liegt da mit heruntergelassener Hose, alle beugen sich vor, und der Chef der Uroonkologie klärt auf, daà der Anblick optimal ist â ein Witz: optimal! â, und dann hat der Chef der Uroonkologie noch gar nicht davon gesprochen, daà die Nummer 8581 sich einhodig nicht waschen darf, ohnehin zu klapprig ist zum Duschen, den Eindruck hat, bis auf den Stationsflur zu stinken, den Schweià ja auch mit eigenen Augen sieht, der zwischen Oberschenkeln und Hodensack trieft, besonders am rechten gröÃeren Sack, in dem noch ein Hoden liegt. Der eigene ein Fremdkörper, am abstoÃendsten, was einmal Scham war. Der Student im Praktischen Jahr, der erst mit der Hand, dann mit einer Art Polizeistock im Gesäà der Nummer 8581 herumfuchtelte, vergaà nicht den Pflichtsatz aller Urologen, daà das für einen Mann nicht angenehm sei. Woher willst du das denn wissen, fragte sich die Nummer 8581, wie alt bist du denn überhaupt, Bürschchen, daà du mich zu trösten versuchst? Wie zur Strafe diagnostizierte der Student im Praktischen Jahr nebenbei Hämorrhoiden. Gut, nehmen wir die auch noch mit, knurrte die Nummer 8581. Gar nicht so sehr an ihn gerichtet, bemerkte die Psychologin, daà Männer nicht daran gewöhnt seien, die eigenen Geschlechtsorgane auch als Bereich des Schmerzes und der Verunreinigung zu erleben, nicht nur der Lust. Und es stimmt: Bei einem Mann kann schon mal ein Ball oder ein Tritt den Schambereich treffen, gleichwohl sind es doch Ausnahmesituationen, die selten länger als ein paar Minuten anhalten, der Schmerz auch der Verblüffung geschuldet. Für Frauen ist es die Regel. Eine Naherfahrung nicht des Todes, aber des Alters: das Geschlecht nicht nur nutzlos, nicht Quell des Genusses und, ja, Fachgebiet hin oder her, des Stolzes und der Herrschaft, sondern ein häÃlicher, quälender, unkontrollierbarer Wicht, der in all seiner Absurdität und Albernheit in der Lage ist, einem Mann das letzte Stück Würde zu rauben, das die anderen Gebrechen übriggelassen haben. Bei den Frauen muà das Altern anders verlaufen, die Nummer 8581 will nicht sagen: weniger schockierend, anders, weil das Geschlecht für sie von der ersten Menstruation an auch das Gegenteil des Angenehmen sein kann, schmerzend, blutend, unrein, wie sie es empfinden beziehungsweise seit jeher empfinden sollen. Daà viele Frauen sich während der Regel oder nach einer Geburt gleichsam asexuell vorkommen, das versteht er nun. Er hat vorher schon gelesen und es liegt schlieÃlich auch nahe, daà die Halbkastration einen Eingriff in den berüchtigten Hormonhaushalt darstellt, einen erheblichen Eingriff, wie es so heiÃt. Aber was das heiÃt, auch das versteht er erst jetzt, da die Studentinnen täglich einmal durch sein offenes Fenster starren, als mache es gleich Pieppiep. Abgesehen davon, daà er erstmals seit der Jugend über Tage hinweg nicht einmal die Andeutung eines sexuellen Gedankens hat, wäre eine Erektion, so meint er gelesen zu haben, auch physisch unmöglich, bis der erhaltene Hoden die Funktion des amputierten übernimmt. Hormone hatten bislang nur Frauen. Seit auch noch der Durchfall hinzukommt, alle paar Minuten aufs Klo für einen Tropfen Kot, und die Nummer 8581 darf sich immer noch nicht richtig waschen, kann es auch nicht, weil viel zu schwach geworden, vorne besudelt, hinten besudelt, Magenschmerzen, Leistenschmerzen, Hodenschmerzen, Schwanzversagen â nein, natürlich ist es eine Grenzerfahrung. AuÃer an die alten Männer von Philip Roth denkt er an den Bestseller einer hübschen Fernsehmoderatorin, die übrigens auch aus Köln kommt, sogar im gleichen Viertel wohnt und die Ausscheidungen, Flüssigkeiten und Gerüche ihrer Genitalien feiert, die Unreinheit, den SchweiÃ. Gegen den Reinlichkeits- und IdealmaÃkult des Fernsehens unterschriebe er gewià jede Petition, zumal wenn sie von einer Frau vorgelegt würde, die dem Betrieb selbst angehört. Aber ist
Weitere Kostenlose Bücher