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nicht die Werbung, wenn er darüber nachdenkt, mit ihrer Stilisierung zu Gespenstern und den Japanerinnern, die auf häÃlich, asexuell oder gar asozial getrimmt sind, ihren Bildern von Armut, Elend und Arbeit, längst nicht viel weiter mit ihren Gegenentwürfen und Tabubrüchen? Was weià er denn, er kennt das Buch gar nicht, wiewohl er die Moderatorin gern kennenlernen würde, die er manchmal auf der StraÃe sieht, und hat weder die Möglichkeit noch den Wunsch, gleich der deutschen Literaturkritik, die diese Saison kein Werk ausführlicher bespricht, ein Urteil zu fällen, allein, wie er in seinen eigenen Ausscheidungen, Flüssigkeiten und Gerüchen liegt, kommt es ihm nachgerade sündhaft vor, Unreinheit und Gestank auch noch bewuÃt herbeizuführen. Ja, sündhaft. Mehr als nur Hormonhaushalt: er versteht auch, hört, sieht, riecht, tastet und bejaht emphatisch das Drängen der Religionen und am meisten vielleicht des Islam auf Reinheit nicht nur im übertragenen, sondern im konkretesten Sinne als Gebot der Sauberkeit, des ebenso regelmäÃigen wie gründlichen Waschens, als Lob des Wassers und der Seife, das wohl nur eine Wüstenreligion so entschieden vorbringen konnte. Auch der Prophet muà gestunken haben und wollte es nicht. Alle möglichen Einschränkungen, Ausnahmen, Sondersituationen, Nöte, Kriege und so weiter einmal unberücksichtigt: Man kann nicht beten, wenn man schmutzig ist. Jede Pore Ihrer Existenz ist von Kot und Urin durchdrungen, sagte zu GroÃvater sein gelehrtester Freund.
Am Mittwoch, dem 7. Mai 2008, kann er bitte danke in Rom weiteratmen, sofern er sich nicht falsch bewegt, zu lange steht oder sitzt. Zwar geht er noch ungelenk und sehr langsam, ist die Wunde längst nicht vernarbt, eine Erektion weit und breit nicht in Sicht, doch genieÃt er um 17:34 Uhr erstmals wieder Ort und Zeit und ist dankbar nicht nur aufgrund der Statistik. Auf einem Liegestuhl im Park der Deutschen Akademie liest er unter einem Baum die Selberlebensbeschreibung der Mutter, die verblüffend gut ist, auch gut geschrieben, der Himmel strahlend blau, ohne daà es zu heià wäre, die Frühgeborene robbt durch das Gras, und wenn die Ãltere gleich ihre Klavierstunde beendet hat, eröffnet die Nummer zehn die deutsche Grillsaison in Rom. Anders als GroÃvater erklärt die Mutter nicht, sondern erzählt, noch dazu mit einem Gespür für Situationen, Empfindungen und Details; das Gegenteil von Namenlisten. Ihre Sprache ist angenehm zu lesen, so flüssig und leicht, daà man nicht glauben würde, sie schriebe mit inzwischen fünfundsiebzig Jahren ihr erstes Buch. Natürlich fehlt vieles, ist es vor allem zu süÃlich, da sie ihre Kindheit als Tochter eines GroÃgrundbesitzers im Isfahan der dreiÃiger Jahre als ein Paradies schildert und der Hölle, die selbst die glücklichste Kindheit beschert, einen einzigen Absatz widmet (wie zur Bestätigung des Romans, den ich schreibe, behandelt sie darin die erste Menstruation), aber es könnte tatsächlich ein Buch werden, ein Buch bei einem Verlag mit Umschlag und allem, wie GroÃvater es sich für seine Selberlebensbeschreibung erhoffte. Jedenfalls würde der Sohn es nicht mehr ausschlieÃen wie vor der Lektüre. Die Mutter ist beglückt, daà er sich so schnell ihrer Sache gewidmet hat, was er nie nie nie täte, wie sie am Telefon wiederholt, und fragt ihn mit ihren dreiunddreiÃig Seiten als nächstes nach dem besten Ãbersetzer für persische Literatur und dem deutschen Verlag, der ihr Weltruhm beschert. Mit dem persischen Buchmarkt gibt sie sich gar nicht erst ab. Der Sohn übertreibt, zugegeben, allerdings bei weitem nicht so sehr, wie sie es immer immer immer tut.
»Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers. In der Hoffnung, daà meine Enkel eines Tages die süÃe persische Sprache lesen und ihre iranische Identität kennenlernen. / Siegen, der 7. Januar 2008 / Mein lieber Navid, am gestrigen Sonntag habt Ihr uns alle zusammen besucht. Vielleicht könnt Ihr nicht ermessen, welches Glück uns diese Tage bescheren, an denen Ihr alle beisammen seid, und wieviel Licht und Leben es unserem zerschlissenen Dasein schenkt, in jedes einzelne Eurer Gesichter zu blicken. So Gott will werdet Ihr den Geschmack dieses Entzückens selbst kosten. In dem Alter, das wir erreicht haben (Dein Vater schon achtzig und ich
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