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Chomeini nicht im Traum daran, eine solche Forderung zu erfüllen, und sah Baghaà sich bald schon gezwungen, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, wo er nach vierzig höchst turbulenten Jahren in der Politik einen geruhsamen, materiell gutausgestatteten Lebensabend im Kreis seiner GroÃfamilie hätte verbringen können. Statt dessen kehrte er gegen alle Empfehlungen, Warnungen und unheilvolle Zeichen im Oktober 1986 nach Iran zurück und wurde bei der Ankunft in seiner Heimatstadt Kerman verhaftet. Baghaà kannte die Gefängnisse des Schahs, in denen gefoltert und hingerichtet wurde, von innen. Die Islamische Republik wollte mehr: Bis heute will sie ihre Gegner nicht einfach ausschalten, sondern ihnen die Würde nehmen, ihre Persönlichkeit zerstören und ihr Ansehen ruinieren. So gaben die Behörden bekannt, meldete der staatliche Rundfunk und schrieben alle Zeitungen, daà groÃe Mengen »anstöÃige Dinge und Materialien« bei dem Vierundsiebzigjährigen gefunden worden seien. »AnstöÃige Dinge und Materialien« ist bis heute die gängige Umschreibung der Staatspropaganda für pornographische, speziell homoerotische oder pädophile Zeitschriften, Videos und dergleichen. Weil der Verhaftete alt und krank sei, werde man jedoch Gnade vor Recht ergehen lassen. Einen Monat später starb der Führer der »Werktätigen« gramgebeugt in Kerman. Obwohl GroÃvater ihn noch mehr geschmäht haben muà als Ajatollah Kaschani, dem er von der ersten Begegnung an nicht traute, erwähnt er mit keinem Wort, daà Baghaà bald nach dem Besuch in Kerman Doktor Mossadegh verriet. GroÃvater schreibt nur, daà Unterkunft und Verpflegung erstklassig gewesen seien und man dem Fahrer einen Picknickkorb mitgegeben habe. Er hat Seyyed Zia Tabatabaà getroffen, Ajatollah Kaschani, Khalil Maleki, Ahmad Zirakzadeh und mit Sicherheit den ersten Premierminister nach der Revolution, Mehdi Bazargan, der in unserer Familie verkehrte; er war Reza Rastegars Cousin, Sadegh Hedayats Arbeitskollege und kannte bestimmt noch eine Reihe anderer historischer Persönlichkeiten, doch erzählt er kaum mehr, als daà Ajatollah Kaschani ihn als Analphabeten angeredet und Mozaffar Baghaà ihn gut bewirtet habe. GroÃvater, ich gebe mir doch alle Mühe, für Ihre Selberlebensbeschreibung eine Leserschaft zu gewinnen, breiter, als Sie sie sich je erhofft haben, eine Leserschaft in einer anderen Sprache, auf einem anderen Kontinent, in einer anderen Zeit, schlachte heimlich das Manuskript Ihrer Tochter aus, der Ãltesten, der Kecken, die ihre eigene Selberlebensbeschreibung veröffentlichen möchte, suche mir aus der Fachliteratur, die ich eigens nach Rom mitgenommen, in der römischen Orientalistik kopiert oder für einiges Geld bestellt habe, die Informationen zusammen, die Sie auslassen, und füge soviel aus meiner eigenen Phantasie hinzu, wie Sie es gerade noch ertrügen â aber einfach machen Sie es mir nicht. Bei allem Respekt habe ich sogar den Eindruck, daà Ihr Stil von Seite zu Seite trockener wird, Ihre Beschreibung umständlicher, Ihre Beobachtung dürftiger. Vielleicht schwand Ihre Kraft, vielleicht Ihre Geduld, vielleicht glaubten Sie, es eilig zu haben, vielleicht hatten Sie darin recht. Um so ehrlich zu sein, wie Sie es von Ihren Kindern und Enkeln genauso wie von Ihren Freunden verlangten, bereue ich es manchmal, Ihnen gefolgt zu sein, es geht nun schon so lange, mein ganzes Jahr in Rom. Dann stoÃe ich auf Ihren Besuch bei Doktor Mossadegh und bin sofort wieder froh. Es ist nicht viel, was Sie schreiben, leider nicht, nicht einmal eine Seite. Aber niemand hätte sie so schreiben können wie mein GroÃvater.
Die Dienstagsbegleitung führte in eine antike Familiengruft drei Meter unter der Erde, die wie eine Küche aussah, doch stellten sich die Herdplatten als Urnendeckel heraus. Die Familie hatte es sich hübsch eingerichtet, die Wand- und Deckenmalereien so farbenfroh wie Tapeten aus dem Wirtschaftswunder, Ornament und Blümchen knallbunt auf weiÃ, richtig heimelig in dieser Enge eines kleinfamiliären Wohnzimmers, fehlte nur noch der Nierentisch mit dem Transistorradio. Die Ãltere faszinierte mehr als alles andere der Oberschenkelknochen, der in einem offenen Grab lag. Ja, der ist auch original, versicherte die Dienstagsbegleitung. Und der Staub in den Urnen? Schwer zu sagen, das vermischt sich ja
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