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schickte Mohammad Hassan oder, falls der doch in der Küche stand, jemand anders, um herauszufinden, wo der Vorsitzende der Iran-Partei blieb. Als Mohammad Hassan oder jemand anders zurückkehrte, saÃen nur noch einige Freunde GroÃvaters im Salon. Zirakzadeh hatte den Abend auf einer Versammlung der Iran-Partei verbracht, wo er den Mitgliedern einen anderen Kandidaten für den Wahlkreis Isfahan vorstellte. Schon aus Selbstachtung gab GroÃvater sich nicht sofort geschlagen, immerhin hatten ihn auch die »Werktätigen« und die Gefolgsleute Ajatollah Kaschanis nominiert. Dann muÃten eben die Plakate noch einmal ohne das Emblem der Iran-Partei gedruckt werden. Wie sich am nächsten Tag herausstellte, war das Dreierbündnis ohnehin geplatzt. Um ihrem Vorsitzenden den ersten Platz zu sichern, hatte Zirakzadeh seine Anhänger in Teheran nicht wie verabredet dazu aufgerufen, auch die Kandidaten der verbündeten Parteien zu wählen. Und in Isfahan hatte er sich für einen eigenen Kandidaten entschieden, weil GroÃvater von Baghaà vorgeschlagen worden war. Das war alles, so simpel; einen anderen, einen politischen Grund hat GroÃvater nie erfahren. Das kleinkarierte Muster prägte den Freiheitskampf der iranischen Nation in den fünfzig Jahren zuvor und in den fünfzig Jahren danach mehr als alle Intrigen des Westens. Nur weil sich die Stimmen der Reformanhänger auf sechs verschiedene Kandidaten verteilten, konnte der jetzige Präsident am 17. Juni 2005 mit seinen nicht einmal gemogelt mehr als sechs Millionen Stimmen die Stichwahl erreichen. Um Prinzipien sei es nie gegangen, sagte der schahtreue Scheich Fazlollah Nuri seelenruhig über die republikanischen Ajatollahs, als er nach der Konstitutionellen Revolution am 31. Juli 1908 unterm Galgen stand. »Es war einfach so: Sie wollten mich ausstechen und ich sie.« Kaschani scherte aus der Nationalen Front, weil Mossadegh sich als Premierminister weigerte, vier der fünf Söhne des Ajatollahs mit einem Parlamentsmandat zu versorgen. Als Mozaffar Baghaà sich gegen den Premierminister stellte, hielt er es für ausgemacht, sein Nachfolger zu werden. Je mehr ich über die Hintergründe und Details des Putsches von 1953 erfahre, die Abendgelage der Verschwörer bei Opium und Whisky, die Besprechung des Schahs mit dem amerikanischen Agenten in einem parkenden Auto, damit kein Palastdiener sie belauschte, die Lügen, die über die Regierung verbreitet und die Bestechungsgelder, die verteilt wurden, desto dreister, zynischer, um nicht zu sagen: verkommen, verkommen im moralischen Sinne, erscheint mir die amerikanische, vor allem aber die britische Regierung, die den Plan überhaupt ausgeheckt hatte, erscheint mir Winston Churchill persönlich; infam auch, wie die Presse der selbsternannten freien Welt die Forderung eines Volkes, an seinem Ãlreichtum zu partizipieren, in eine Reihe mit Hitlers Nationalsozialismus stellte und den Militärputsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung feierte, die den Lebensläufen ihrer Mitglieder â fast alle Minister hatten im Westen studiert â und den republikanischen Idealen der europäischen Aufklärung verpflichtet war und bis zur Verblendung, bis buchstäblich zum letzten Abend, als der amerikanische Botschafter den Premierminister durch Tricks und falsche Zusagen in Sicherheit wog, auf den Beistand der Vereinigten Staaten hoffte: »Nach dem Sieg gegen Hitler hat Churchill dem groÃen britischen Empire einen weiteren Sieg beschert«, titelte die Londoner Times . »Wenn die Liebe zum eigenen Land unerwünscht ist, warum streben dann die GroÃmächte nach dem Besten für ihre Länder«, spieÃte Doktor Mossadegh bereits 1944 in einer Rede die doppelten Standards auf, die noch heute im Rest der Welt beklagt werden: »Wenn Demokratie nicht wünschenswert ist, warum sind sie dann selbst demokratisch? Wenn Pressefreiheit ihrer Meinung nach schadet, warum ist die Presse dann im Westen frei?« Die Bücher von Kinzer, Arjomand, Mottahedeh, Milani, Abrahamian, Nabavi, Behnoud, Katouzian, Keddie sowie die Selberlebensbeschreibungen von Maleki, Baghaà und Mossadegh vor mir ausgebreitet in der römischen Orientalistik, zu der ich meine Wäschekammer an der Deutschen Akademie hergerichtet habe, begreife ich jetzt und teile ich über fünfzig Jahre später GroÃvaters Zorn. Die Linie von 1953, als die erste
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