Dein Name

und, dann sollen sie sich eben gestört fühlen! Haben wir selbst denn keine Gefühle? Oder sind wir Apparate, die man abschalten kann, wenn sie stören? Was ist denn das hier? Muß ich mir …« Auch wenn er das Zitat an dieser Stelle abbricht, wird der alte Herr Wert darauf legen, daß die Gnädige Frau noch keineswegs zu Ende ist mit ihrer Analyse europäischen Lebens, die sie keine drei Stunden nach ihrer Landung auf dem Frankfurter Flughafen mit dem Gestus äußerster Gewißheit vorträgt. Er kennt ihre Ausbrüche und lächelt längst wieder in sich hinein, während die Tochter vor Entsetzen ein ums andere Mal die Hände auf den Kopf schlägt. »Liebe Mutter«, nimmt der Schwiegersohn einen neuen Anlauf, die Gnädige Frau zu beschwichtigen, »liebe, verehrte Mutter, jetzt warten Sie doch erst einmal ein, zwei Tage ab, und wenn Sie dann immer noch meinen, daß wir bei den Franken ein Maschinenleben führen, dann nehmen wir uns alle an den Händen, kehren gemeinsam in unser schönes Isfahan zurück und essen wieder Fladenbrot, das verspreche ich Ihnen.« »Mein armer Schwiegersohn«, wird Großvater sich ungewohnt vergnügt an seinen ersten Tag in Siegen erinnern, »merkte selbst, daß dies eine ungünstige Abmachung war und biß sich auf die Zunge. Auf die Erklärung des Unterschieds zwischen dem Land der Franken und Iran, die er angekündigt hatte, verzichtete er lieber ganz. Er möge nicht verzweifeln, flüsterte ich ihm ins Ohr, man müsse sanft vorgehen, Geduld haben und vor allem einen kühlen Kopf bewahren, dann würden sich die Dinge schon regeln.«
    Zu den Jahren zwischen der Auswanderung der Eltern und dem Besuch der Großeltern, fällt der Mutter am Telefon sofort ein, gehört der Unfall in Österreich, als der Vater auf der ersten Fahrt zurück nach Isfahan eine Wimper ins Auge geriet, so daß sein Auto gegen einen Baum fuhr, und ein paar Tage später schlägt er die Augen im Krankenhaus auf, und zwei der Brüder sind auf der Intensivstation, und die Mutter hätte genauso gut tot sein können. Das ganze Zimmer war voller Blumen, die Lokalzeitung berichtete, der Bürgermeister rief zu Spenden auf, der Pfarrer ließ die Gemeinde für sie beten, kein Tag ohne Besuch mitfühlender Österreicher, die heute zu dreißig Prozent Dahoam statt Islam wählen. – Haben Sie die Zeitung noch? fragt der Sohn. – Ach was, antwortet die Mutter, die doch sonst auch nichts wegzuschmeißen vermag. Das Krankenhaus verzichtete auf eine Rechnung, das Ticket für den Rückflug schickte der bereits reich gewordene Doktor Rastegar, die Kleider sammelte die Kirchengemeinde, den Papierkram regelte der Bürgermeister. Mit nichts als ihrem Leben, ihren kleinen Kindern und einem Koffer, den die örtlichen Lederwaren gespendet hatten, kehrten die Eltern heim, und drei, vier Jahre später hatten sie in Deutschland schon ein festes Gehalt, drei Zimmer, Küche, Bad, einen Mercedes-Benz 200, für den sogar die Mutter einen Führerschein besaß, sie als Frau, aber Großmutter war enttäuscht, wie ärmlich alles war, eng wie in einem Gefängnis. »Sent: 11-Nov-2008 16:44:46 Navid –mich interessiert AVID ZEHNA . fürst der ärzte u philoph –was könntest du mir über u von ihm empfehlen ich möchte etwas von seinen kunden lernen –kennst du ihn ~für mich natürlich alles neu …drum frag ich so etwas naiv-kann ich dich später oder morgen abend anrufen wenn meine kraft sein ist?« In Erlangen wäre der heutige Orthopäde fast ertrunken, während die Mutter in einem Park Deutsch lernte. Die Deutschen standen um das Becken, in dem er reglos auf dem Wasser lag, den Kopf nach unten, als sie endlich von ihrem Buch hochsah. Niemand half. Nachdem sie den heutigen Orthopäden aus dem Becken getragen hatte, murrten die Deutschen darüber, daß sie sich auszog, um das Kind mit ihrem Kleid zu trocknen. Schamlosigkeit, rief einer, und ein anderer zischelte etwas von Ausländern. Die beiden Wörter mußte sie nach diesem Tag nie mehr im Lexikon nachschlagen. Nur mit Unterrock und Büstenhalter bekleidet, der heutige Internist zu Tode erschrocken an ihrem Knie, trug sie den heutigen Orthopäden in ihre Kleidung eingewickelt zu dem Hochhaus zurück, in dem sie zu fünft achtzehn Quadratmeter bewohnten. All das lag hinter der