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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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hinter sich gebracht, staunend über den Halbmond auf der deutschen oder italienischen Fahne. Irgendwie machte sie auf sich und die Kinder aufmerksam, irgendwer brachte sie in einem Hotelzimmer unter, irgendwann wurden sie aus dem Hotelzimmer abgeholt und in ein Flugzeug gesetzt, das aber nach Amsterdam flog, wo sie wieder vergeblich nach dem Vater Ausschau hielt, der schwindlig vor Aufregung immer noch am Flughafen München wartete, die zweite Nacht schon und das gesamte Geld für Telefonate nach Isfahan ausgegeben, wo den Großeltern erst recht schwindlig geworden war. Bei manchen Anrufen schimpfte Großvater, daß er es doch von Anfang an gesagt habe, wie es vierzig Jahre zuvor der Großvater von Reza Rastegars ins Telefon geschrien hatte. Endlich ermittelte die Vertretung der KLM am Flughafen München, daß die Mutter mit dem heutigen Orthopäden und dem heutigen Internisten in Amsterdam gelandet war. Sie kann nur raten, wie oft ihr Name ausgerufen wurde, bis sie trotz des holländischen Tonfalls endlich verstand, daß sie gemeint war. Sie solle sich nicht vom Fleck rühren, rief der Vater ins Telefon der KLM am Flughafen München und fuhr mit dem Auto, das ihm ein iranischer Bekannter in der Zwischenzeit besorgt hatte, im Schneesturm nach Amsterdam, obwohl er zwei Nächte lang nur auf Wartestühlen geschlafen hatte. All das lag hinter den Eltern, als die Großeltern in Frankfurt landeten, aber Großmutter war enttäuscht, wie ärmlich alles war, eng wie in einem Gefängnis. Weshalb fragst du eigentlich?
    Â»Sent: 17-Nov-2008 17:37:46 wenn gegen 21 – Kinder im bett u du schon müd auch u ich wider nicht u die lage hier gut DANN WILL ICH DICH SO GERNE SPRECHEN « »Sent: 17-Nov-2008 17:45:13 Lieber navid,-nu hast du die sms die für meine freundin war erhalten ****mal sehen ob ich euch beide schaffe jedenfalls winke ich dir auch schnell zu u schick die kinder bitte nicht zu früh in s bett…herzlich« »Sent: 17-Nov-2008 17:54:24 *~genau u ihr beide liegt auch bei herzen meinem ganz nah ~*
    Im Land der Franken, hebt Großvater zu einem weiteren soziokulturellen Exkurs an, sei es offenbar üblich, daß die Familien in den Ferien verreisen. Dafür verfügten sie über Zelte, aufblasbare Matratzen, Gaskocher, Kühltaschen, schlauchförmige Decken zum Ausrollen und alles nur erdenkliche Plastikgeschirr, so daß sie nicht mehr auf Hotels angewiesen seien. Beinah alle Städte im Land der Franken hätten Plätze ausgewiesen, die man »Camping« nenne ( k-m-p-i-n-g ), wo die Franken gegen eine geringe Gebühr ihr Zelt aufschlagen dürften, aber auch Zugang hätten zu fließend kaltem und warmem Wasser sowie zu sanitären Einrichtungen bis hin zu Duschen und Becken zum Wäschewaschen. Nach den Eindrücken Großvaters ist das europäische System des Campings jedem Hotelaufenthalt vorzuziehen, da es maximale Mobilität mit größter Bequemlichkeit verbinde. Auf dem Camping könne man zugleich die Natur erleben, das Essen selbst zubereiten, die eigenen Gewohnheiten beibehalten, und dies alles zu einem ausgesprochen günstigen Preis, wie Großvater als Isfahani nicht zu erwähnen versäumt. Nicht versäumt er als frommer Mensch, die Hilfsbereitschaft der Camper zu preisen. Immer wieder seien sie Campern, mit denen sie ins Gespräch kamen, auf anderen Campings wiederbegegnet. Selbst wenn sie auf dem ersten Camping vielleicht nur ein paar Worte miteinander gewechselt hätten, hätten sie sich beim Wiedersehen dann jedesmal wie alte Bekannte begrüßt und sich zum Kuchen oder zum Abendessen verabredet. Besonders die iranischen Reisgerichte Großmutters seien von den fränkischen Campern vielfach gepriesen worden. Wie ich Großmutter kannte, wird sie sich gefreut haben, ein paar Bäuche mehr satt zu machen, bevor sie selbst aß. Außerdem wird sie in der gewohnten Entschlossenheit die Gelegenheit genutzt haben, ihr nicht vorhandenes Französisch anzuwenden. Überhaupt hatte Großvater den Eindruck, daß ein wesentlicher Reiz des Campings für die Franken, die zumeist in Kleinfamilien lebten und in einen streng geregelten Tagesablauf eingebunden seien, in der ungezwungenen Geselligkeit liege. Hinzu komme das Wohnen im Freien, zumal die meisten Franken in beengten Wohnungen ohne Garten oder Innenhof lebten und die Städte von Beton, Asphalt und Zement bedeckt seien. Es

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