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interreligiösen Dialog, das haben wir über viele Generationen gehört wie Christen das Gebot der Nächstenliebe, ich selbst als Kind vielfach, daà das Bekenntnis wichtig, entscheidend jedoch die guten Taten seien, und hielt den Umkehrschluà für genauso richtig, den Christen als AnmaÃung empfinden mögen: Jeder gute Mensch ist ein guter Muslim. In Nuren Bergeh lernte GroÃvater, daà gut zu sein vor allem eins ist: harte Arbeit. Gleich bei ihrem ersten Besuch kotzte Fereschteh das Essen aus, das ihr die Nonne in den Mund geschoben hatte, beschmutzte sich, das Bett, den Boden, das blütenweiÃe Kleid der Nonne. Mit solchem Mitleid, solcher Duldsamkeit und Anteilnahme machte die Nonne sich daran, Fereschteh zu reinigen, ihr neue Kleidung anzuziehen, die Bettwäsche zu wechseln und den Boden zu wischen, daà GroÃmutter auf persisch die Bemerkung entfuhr, eine Mutter könne zu ihrem Kind nicht liebevoller sein. Meine Mutter übersetzte der Nonne, was GroÃmutter gesagt hatte. Sie tue nichts anderes, als ihre Pflicht vor dem Herrn zu erfüllen, antwortete die Nonne, und habe weder Lob noch Anerkennung verdient. Gepriesen sei Gott, schreibt GroÃvater, daà Er solche Dienerinnen hat.
Sosehr die Tage in Nuren Bergeh ihn bewegt hätten, so wenig könne er sich zwanzig Jahre später an Einzelheiten erinnern. Deshalb habe er seine Tochter brieflich gebeten, ihm etwas über das Heim zu schreiben. Bei allen Ungenauigkeiten im Detail erscheint mir ihre Antwort, die GroÃvater in Auszügen zitiert, typisch für die erste Generation der muslimischen Einwanderer im Land der Franken zu sein. Nicht der Staat, die Gewerkschaften oder die Parteien waren es, die sich nach und nach mit Sprachkursen, mit Nachhilfe für ihre Kinder, bei Behördengängen oder der Wohnungssuche ihrer annahmen. Wo immer sie Unterstützung brauchten, kamen die Gastarbeiter und ihre Familien in Berührung mit der Kirche: in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindergärten, Grundschulen, auch in der Seelsorge häufiger, als man glauben würde, und sei es nur am Telefon. Selbst wenn sie bei der Stadtverwaltung die Genehmigung beantragten, einen Gebetsraum einzurichten oder eine leerstehende Lagerhalle zu einer Moschee umzubauen, war es in der Regel die örtliche Kirchengemeinde, die Fürsprache einlegte. Wie GroÃvater und meine Eltern bewunderten viele Muslime in Westeuropa, daà eine religiöse Institution sich so umfassend und systematisch der Wohlfahrt verschrieben hatte und dabei nicht zwischen den eigenen Gläubigen und den Angehörigen anderer Religionen unterschied. »Die gemeinnützige Anstalt, die wir zusammen besucht haben, ist im Besitz der Kirche«, erklärte meine Mutter in ihrem Brief an GroÃvater das deutsche Kirchenwesen nicht ganz mit der Präzision unseres Führers am Petrusgrab: »Die deutschen Christen sind verpflichtet, zusätzlich zu den verschiedenen Steuern vierzehn Prozent ihres Einkommens der Kirche für gemeinnützige Zwecke zu überweisen. Auch andere rechtschaffene Menschen, die nicht der Kirche angehören, spenden der Kirche Geld, damit sie den Armen und Bedürftigen hilft. Die Kirche, lieber Papa, müssen Sie sich wie ein Ministerium mit vielen Abteilungen vorstellen, das die Gelder verwaltet und unzählige karitative Vereine und Institutionen unterhält, darunter Krankenhäuser, Pflegeheime und Kindergärten. Die Kirche sorgt auch für die Versorgung der Armen, die Betreuung der Alten und Behinderten, die Erziehung der Waisenkinder, die Rehabilitation von Verletzten sowie die Behandlung von psychisch Kranken. Wer genesen ist, für den bemüht sich die Kirche um einen Arbeitsplatz. So gehören die meisten Geschäfte in dem Stadtviertel, das wir besuchten, Menschen, die zuvor selbst in dem Pflegeheim waren und genesen sind. / Lieber Papa, vielleicht würde es die Memoiren bereichern, die Sie gerade schreiben, wenn Sie die Geschichte von Fereschtehs Tod aufnähmen, auch wenn Sie uns zu der Zeit nicht mehr mit Ihrer Anwesenheit im Land der Franken beehrten. Nachdem uns der Priester angerufen hatte, baten wir Herrn Ingenieur Kermani in einem Telegramm um die Erlaubnis, Fereschteh auf dem Friedhof in der Nähe des Heims zu bestatten, und fuhren am Tag der Trauerfeier nach Nürnberg. Als wir die Kirche betraten, war bereits das gesamte Personal des Heims versammelt, der Priester, die Nonnen,
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