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GroÃvater schreibt, kann nicht stimmen. Speziell die Mutter achtet penibel darauf, nicht betrogen zu werden. GroÃvater möchte den »lieben Lesern« nicht verbergen, daà er trotz der bösen Blicke seiner Tochter und Enkel viele Wochen benötigte, bis er sich durchrang, das Wechselgeld ungezählt ins Portemonnaie zu stecken. Er kannte es nun einmal nicht anders, nicht aus seiner eigenen Zeit als stellvertretender Bankdirektor, nicht aus seiner Kindheit und Jugend. Wie der Geldwechsler seines Vaters zu sagen pflegte, wenn er Geld auszahlte: »Erweisen Sie mir eine Gnade und prüfen Sie, ob der Betrag stimmt.« (Auf persisch reimt sich der Satz, doch sind die einzigen Reimwörter, die mir um 0:54 Uhr zum Thema einfallen, da mich die vertauschten Seiten heute schon genug Nerven gekostet haben, Geld und Welt.) »Lieber Leser, sehen Sie an diesem kleinen Beispiel, wie groà der Unterschied zwischen dem Land der Franken und unserem islamischen Land ist? Selbst die Ignorantesten unter uns kennen den Satz, daà ein Muslim einem anderen Muslim vertrauen muÃ, sofern kein Beweis vorliegt, daà sein Gegenüber lügt. LieÃe sich ein vollkommeneres und klügeres Prinzip finden, um das Grundvertrauen zwischen den Menschen aufrechtzuerhalten, das für das Funktionieren einer Gesellschaft unabdingbar ist? Findet man ein solches Prinzip irgendwo anders? Soweit es dieser ungebildete Sklave weiÃ, ist es den Franken nicht nur unbekannt, nein, ich habe mit meinen eigenen Ohren gehört und in ihren Schriften gelesen, daà der Mensch allen Erscheinungen, auch den Handlungen und Aussagen seiner Mitmenschen Skepsis entgegenbringen soll, bis deren Richtigkeit erwiesen ist. Wo wir das Vertrauen zum Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens erklären, lautet ihr Schlüsselwort Skepsis. Aber wie ist die Realität? Das exakte Gegenteil! In Iran beschwor der greise Geldwechsler meines Vaters seine Kunden, den erhaltenen Betrag zu überprüfen, damit er nicht des Betrugs verdächtigt werden konnte, und in Deutschland hielt es mein acht- oder neunjähriger Enkel nachgerade für unanständig, wenn ich mein Wechselgeld zählte. Sehen Sie, liebe Leser, den himmelschreienden Unterschied? Und damit bin ich wieder bei dem Problem, das mich schon so lange bedrängt. Wenn Ihrer hochgeschätzten Aufmerksamkeit eine Erklärung zuteil wird, solange ich noch in den Fesseln der irdischen Existenz stecke, bitte ich Sie, mir die Ehre einer Belehrung zu erweisen.«
Noch auf der gleichen Seite 139 berichtet GroÃvater von seinem dritten Enkelsohn, dem heutigen Ophthalmologen, der noch keine zehn Jahre alt gewesen sei. Lieber GroÃvater, der heutige Ophthalmologe wurde 1963 drei Jahre alt; ich nehme an, daà Sie den späteren Orthopäden meinen. Nichts für ungut, meine Eltern verwechseln uns ebenfalls andauernd. Der heutige Ophthalmologe beziehungsweise Orthopäde habe die GroÃeltern oft in die Stadt begleitet und sich dabei als Ãbersetzer und Führer nützlich gemacht. Erstaunlicherweise habe er nie ein Auge auf die vielen Waren geworfen, die in den Schaufenstern und Läden auslagen, die Spielzeuge, Bälle und SüÃwaren. Selbst wenn GroÃvater ihm ein Geschenk kaufen wollte, habe der heutige Ophthalmologe beziehungsweise Orthopäde nur mit den schmalen Schultern gezuckt und nein geantwortet, er brauche nichts. Das sei nicht seiner Höflichkeit geschuldet, schreibt GroÃvater und meint damit also doch das persische Pingpong, denn um höflich zu sein, habe das Persisch des späteren Ophthalmologen beziehungsweise Orthopäden gar nicht genügt. Vielmehr habe sich darin eine Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit ausgedrückt, die GroÃvater von iranischen Kindern nicht kannte und als eine Höflichkeit des Herzens preist. Ihnen selbst, gesteht GroÃvater, also ihm und der Gnädigen Frau, gelänge es ja kaum, an einem hübschen Geschäft vorüberzugehen, ohne sich den Besitz dieses oder jenes Gegenstands auszumalen, und genauso erzögen die iranischen Eltern ihre Kinder: als sei es normal, sich immer mehr zu wünschen. Man müsse sich nur einmal in einem gewöhnlichen iranischen Kinderzimmer umschauen, um in den Ecken, Schränken und Regalen auf Unmengen von Spielzeugen zu stoÃen, die nicht länger als ein paar Wochen benutzt worden sind. Die Franken hingegen lehrten ihre Kinder, den Wert aller Dinge zu
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