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nicht sorgfältig genug ihrer Arbeit nachgegangen sind oder Geld sparen wollten, um mehr zu verdienen. Der Einsturz des Archivs ist ein Sinnbild für die VerfaÃtheit des heiligen Kölns und seinen Umgang mit dem überreichen kulturellen Erbe. Ãber Jahrzehnte hinweg sind Verwaltungsämter nach Partei und Proporz besetzt, Ausschreibungen unterlaufen, Aufträge nicht korrekt vergeben worden. Mehrfach muÃten ganze Riegen von führenden Politikern wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten. Wie wenig der Stadt die Kultur und damit auch die Vergangenheit wert ist, erweist sich Jahr für Jahr an ihrem Haushalt. Das Kölner Archiv ist nicht aufgrund der Achtlosigkeit dieses oder jenen Ingenieurs, Beamten oder Aufsichtsrats eingestürzt. Ãber lange Zeit hinweg muÃten viele Nachlässigkeiten zusammenkommen, die jede für sich unscheinbar wirken mögen wie Grabungen unter der Erde, damit sich am Ende ein solches, spektakuläres Desaster ereignet. â Aber schaut euch auch was von Köln an, empfiehlt der Brandamtsleiter zwei jungen Münchnern, die sich in voller Montur zum Einsatz melden. Das werden sie, denkt der Kölner: Näher könnten sie dem Herzen unserer Stadt leider nicht kommen.
Ob es dem ehrenwerten Oberst Farasat gutgeht, der längst von Isfahan in eine andere Stadt versetzt worden ist, fragt sich GroÃvater, ob der Oberst gesund ist, ob er noch lebt, ob er immer noch Oberst ist oder inzwischen befördert? GroÃvater hofft es für ihn. Ob sie sich noch einmal begegnen, vielleicht doch einen Tee zusammen trinken, plaudern? So Gott will. »Und schlieÃlich: Wird er jemals lesen, was ich hier aufschreibe?« Nein, GroÃvater, bestimmt nicht. Damit die allgemeine Leserschaft das Verhalten von Oberst Farasat vor dem Hintergrund der Zeit würdigt, gibt GroÃvater ein Beispiel, was er sonst mit iranischen Beamten und Offizieren erlebte: Als die Autos noch nicht bis Tschamtaghi fuhren, lieà er sich oft von einem Fahrer am Donnerstag abend nach Baghbadaran fahren, wo immer das nun wieder sein mag. Dort übernachtete er bei einem Bekannten und ritt im Morgengrauen auf dem Esel nach Tschamtaghi, sah den Tag über nach seinen Feldern, sprach mit den Bauern und kehrte Samstag in der Morgendämmerung zurück nach Baghbadaran, um rechtzeitig zum Dienstbeginn zurück in Isfahan zu sein. Einmal allerdings wartete der Fahrer nicht wie verabredet am Dorfeingang. GroÃvater, der doch die Nationalbank aufschlieÃen muÃte, rannte durchs Dorf, das nicht so groà gewesen sein kann, wie es sich in der Selberlebensbeschreibung liest, höchstens zwei, drei ungepflasterte StraÃen, nehme ich an, sah in alle Höfe hinein, schreckte alle Hühner auf â aber nirgends ein Auto. Er klingelte den Bekannten aus dem Schlaf, der längst Bescheid wuÃte und noch aufgeregter zu sein schien als GroÃvater selbst: Eine Delegation aus Offizieren, Beamten und dem Landrat hatte in Baghbadaran übernachtet. Sie hatten den Auftrag, in den Dörfern Wehrdienstpflichtige zu registrieren. Tatsächlich erpreÃten sie die Bauern, ihre Ersparnisse auszuhändigen, damit deren Söhne nicht zur Armee muÃten. Der Landrat, der die Erpressungsgelder verwahrte, war in der Nacht mit GroÃvaters Auto geflohen. GroÃvater sieht es dem Landrat, den Offizieren und Beamten beinah nach: »Jemanden zu bestechen oder sich bestechen zu lassen wird in unserem muslimischen Land als vollkommen normal angesehen, so normal wie eine staatliche Abgabe, wie eine Gebühr in der Bank, aber leider nicht mehr wie die Armensteuer. Ungewöhnlich sind die Staatsdiener, die sich korrekt verhalten wie Oberst Farasat, der einen Ermittler nach Kartschegan schickte, damit niemand unschuldig verurteilt würde. Die Korruption ist uns längst in Fleisch und Blut übergegangen, so daà sie von Generation zu Generation vererbt wird. Ja, wie eine Erbsünde ist die Korruption. Wie wir sie von unseren Vätern übernommen haben, werden unsere Kinder sie Gott verhüte von uns übernehmen. Ich komme auf den Begriff der Erbsünde, weil mir gerade einfiel, was der verstorbene Doktor Jordan in seiner einfachen, direkten Sprache, wie sie den amerikanischen Priestern zu eigen war, einmal in der Predigt sagte, möge seine Seele froh sein: âºDer ehrwürdige Adam hat gesündigt, und wir als seiner Kinder können nicht leben, ohne ebenfalls zu
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