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er werden sollte, ein Naturereignis von einem Menschen, das zu beherrschen oder auch nur vorauszusehen keinem think tank der Welt gelang. Mit der Autorität desjenigen, der sicher sein kann, daß noch die Mäuse gebannt lauschen, sprach er mit geradezu unverschämt leiser Stimme, nuschelte, legte zwischen den Satzteilen endlose Pausen ein, als zweifelte er bis zum Ende daran, ob die Zuhörer es überhaupt wert seien, sich die Mühe einer Ansprache zu machen, schaute die Zuhörer nie an und bemühte die Hände kaum je zu einer Geste. Nein, ich weiß nicht mehr, was er bei unserem Besuch sagte, aber ich kannte seine Ansprachen von den Kassetten, die der Vater im Auto hörte und vom persischen Dienst der BBC , der ständig zu Hause lief; sie waren trotz der vielen arabischen Floskeln, die seine Rede altertümlich und vor allem für jemanden wie mich beinah exotisch klingen ließen, viel leichter zu verstehen als die Kassetten der anderen Vordenker, die ebenfalls Floskeln verwandten, aber französische. Chomeini sprach so einfach, daß selbst ein elfjähriger Junge, der sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hatte, ihm folgen konnte und also das ganze Land. Er allein war in der Lage, mit einem Wort Millionen Menschen auf die Straße zu rufen, er allein brachte sie dazu, sich unbewaffnet den Panzern entgegenzustellen, sich den Maschinengewehrsalven aus den Hubschraubern auszusetzen, er allein hatte die Autorität, einen Streik auszurufen, der fast ein Jahr lang dauerte, in allen Branchen, in allen Städten Irans. Er allein brachte die Menschen später dazu, Tausende und Abertausende Kinder darunter, auf die irakischen Minenfelder zu rennen, um den iranischen Panzern den Weg freizuräumen. Gewöhnlich bin ich skeptisch, wenn Geschichte auf das Wirken einzelner Personen reduziert wird, und natürlich haben bei der Islamischen Revolution, die als bürgerliche Bewegung begann, als Revolte von Studenten, Intellektuellen, Künstlern, Professoren, Lehrern, Ingenieuren, Ärzten, Feministinnen, natürlich haben auch viele andere Faktoren und Führer eine Rolle gespielt. Dennoch wage ich die Behauptung, daß Iran noch immer eine Monarchie wäre, hätte der Schah den Mut besessen, Chomeini 1964 hinzurichten, wie er es erwog, statt ihn zu verbannen. Ein Aufstand war angesichts der zunehmenden Selbstherrlichkeit, Brutalität und Zügellosigkeit der Monarchie unausweichlich, aber die stärkste Militärmacht des Nahen Ostens mit dem ruchlosesten Geheimdienst und einer Weltmacht als Schutzpatron hätte der Opposition standgehalten oder wäre mit den Reformen durchgekommen, zu denen der Schah am Schluß bereit war, wenn Chomeini nicht gegen alle Versuche staatlicher Emissäre, ausländischer Minister und am Ende selbst seiner engsten Umgebung, ihn zu einem Kompromiß zu bewegen, der dem Land viel Tote erspart hätte, wenn der Revolutionsführer nicht scheinbar gegen alle Vernunft den einen Satz wieder und wieder gesagt hätte: Der Schah muß gehen. Selbst ich habe seine Stimme noch im Ohr: Schâh bâyad berawad .Viele Jahre später erst, Chomeini war schon lange tot, habe ich ihn im iranischen Fernsehen an irgendeinem Jahrestag erstmals wieder reden gehört und war als einziger völlig gebannt. Die anderen hörten seine Reden ja an vielen Jahrestagen wieder und unterbrachen nicht ihre Unterhaltung. – Seid doch mal leise, rief ich den Verwandten zu, die meine Schrullen gewohnt waren. Ich meinte zu entdecken, daß ein Geheimnis seiner Wirkung ebendarin bestand, sich buchstäblich einen Teufel um Wirkung zu scheren – als wäre ihm alles andere, alle Augen auf Erden bis zu einem fast schon pathologischen Grad gleichgültig. Inzwischen habe ich viel über ihn gelesen, um das nächste Kapitel in Großvaters Selberlebensbeschreibung besser einzuordnen, und bin mir nicht mehr so sicher, ob Großajatollah Chomeini den Eindruck, an alles, nur nicht an Wirkung zu denken, nicht sehr gezielt hervorrief. Wir glaubten es ihm, als er 1978 in unser Leben trat, in das Leben der Eltern, der Brüder, der Familie in Iran. Großvater, der über die Verbannung Chomeinis im Jahr 1964 schreibt, hatte einen völlig anderen Führer vor Augen.
    Der Putzfrau ist in der Ukraine das Haus abgebrannt, in dem sie die neunjährige Tochter zurückließ. Elektrik, sagte die Putzfrau, keine Feuerdienst, alles alles kaputt.