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Weltanschauung notwendig ist, um es bestreiten zu können. Im Rückblick hätte nicht einmal ein Gefühl der Vollendung ihn beruhigen dürfen, gesteht sich der Romanschreiber ein, da er meistens von dem Roman begeistert ist und begeistert sein muÃ, den er beginnt, und die Zweifel grundsätzlich erst, dafür um so quälender wiederkehren, sobald er sich das erste Mal von auÃen erkennt. Weil die finanziellen Schwierigkeiten zunahmen, kopierte er einzelne Absätze, die in sich relativ homogen waren, in eigene Dateien, bearbeitete sie geringfügig und schickte sie ebenjenem Redakteur, der nun so freundlich um einen Artikel über den Abfall gebeten hat. Es waren Alltagsszenen, Reisebeschreibungen, Reflexionen über Filme oder Gemälde, auch Leseeindrücke und Beobachtungen politischen Geschehens, also durchweg Texte, die nicht zum Roman im Roman gehörten, der allmählich Kontur annahm, sondern zu den Notizen, die der Romanschreiber sich weiterhin wahllos machte. Zu seiner Ãberraschung wurden sie als Feuilletons oder Kolumnen gern genommen, so daà eine gewisse Nachfrage entstand. Nun brachte ihm das, was er ohne Intention verfaÃt und auch sprachlich den Gestus des Niederen, des Alltäglichen, des Hinweggesprochenen hatte, nicht nur Geld ein â immer häufiger schrieb er Absätze wie diesen in den Roman, die sich nicht zufällig zur Veröffentlichung eigneten, sondern umgekehrt durch den Redakteur angeregt oder direkt in Auftrag gegeben worden waren. Sozusagen wurde der Romanschreiber zum professionellen Abfallerzeuger. Das ging so weit, daà er zwischenzeitlich der Hybris verfiel, er könne, ja müsse das, was so roh als unmittelbarer Ausdruck innerer Regungen entstand, häufig auch im Rausch, in Zuständen übergroÃer Müdigkeit oder Eile, als Ganzes veröffentlichen. Er dachte tatsächlich eine Zeitlang, daà die Wirkung der Einzelstücke, die ihm der Reaktion des Redakteurs nach objektiv vorzuliegen schien, sich potenzieren würde, wenn sie in dem unbeabsichtigten Zusammenhang zu sehen wären, den das Leben darstellt. Das ist ein TrugschluÃ, wie er längst weiÃ, ohne freilich zu wissen, welchem Trugschluà er damit wieder unterliegt. »Einfach etwas entstehen zu lassen, darum kann es sich ja eigentlich nicht handeln«, sagte Joseph Beuys. »Denn daà Menschen etwas aus sich heraussetzen, dieser Vorgang muà ja angeschaut werden, so daà ich sage: Gut, es ist etwas aus mir herausgekommen, aber hat es nun auch schon Qualität? Jetzt fängt dann natürlich an, daà ich nicht sagen kann, Kunst ist einfach ein ProzeÃ, der kommt irgendwie heraus, ist also, ich will einmal sagen etwas Erbrochenes.« So ist auch der Romanschreiber in der festen Absicht, ihn verwerten zu wollen, wenn jemand ihn druckt, an den Anfang des Romans zurückgekehrt, den ich schreibe, und wendet jedes Wort um. Vieles streicht er, noch mehr ersetzt er, schiebt Absätze hin und her, prüft die Motive auf ihre Ergiebigkeit, entwickelt sogar im Rahmen des Möglichen Abläufe und Spannungsbögen, wenn schon nicht Handlungen, tastet nach einer Form, die die Alltagsdiktion der Urschrift aufhebt, ohne sie unkenntlich zu machen, weicht von der Wirklichkeit ab, wo immer es der Literatur nützt, dramatisiert bestimmte Ereignisse, läÃt Situationen aus oder faÃt Absätze neu, wo sie andere Menschen als ihn selbst entblöÃten, liest sich die Absätze laut vor, achtet auf Melodie und Rhythmus, kurz: betreibt sein übliches utilitaristisches Geschäft. In dem Tempo, das er im Augenblick hat, braucht er für das Erstellen einer lesbaren Fassung mehr Zeit als für das Schreiben selbst. Sein Verleger hat ihn schon aufgegeben, sein Agent drängt, fürs erste den Roman im Roman zu veröffentlichen, und verspricht einen lukrativen VorschuÃ.
Im letzten Absatz der letzten Seite, wo ich nur ein Dankwort oder ein Gebet vermutet hatte, beschreibt GroÃvater eine weitere Busfahrt, allerdings von Teheran zurück, kurz nach dem Putsch gegen Mossadegh: Froh über die Gelegenheit, die Sprache zu üben, unterhält sich der stellvertretende Direktor der Nationalbank in Isfahan mit einer jungen Engländerin, Miss Ising oder so ähnlich ( â-y-z-n-g ), die als Lehrerin im christlichen Stadtteil Djolfa arbeitet und von einem mehrmonatigen Heimaturlaub zurückkehrt. Als er ihr sagt, daà er seinen
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