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Sohn zum Studium nach England schicken möchte, zeichnet sie ein düsteres Bild ihres Landes: Die Gesellschaft sei infolge des langen Kriegs zerrissen, die Regierung infam, die Propaganda für den Schah abscheulich, die Aversion gegen Fremde und speziell Iraner unerträglich â nein, der stellvertretende Bankdirektor möge es seinem Sohn bitte nicht antun, ihn ausgerechnet nach England zu schicken, so unangenehm ihr als Engländerin der Rat sei, schlieÃlich liebe sie ihr Land. So beeindruckt der stellvertretende Bankdirektor von ihrer Offenheit ist, erscheint ihm die Kritik übertrieben, die Miss Ising oder so ähnlich an England übt. Zwei Tage nach seiner Ankunft bittet er deshalb um eine Audienz beim protestantischen Bischof von Isfahan, den er als aufrechten Mann kennengelernt hat. Der Bischof ist bestürzt über die Aussagen von Miss Ising oder so ähnlich. Er habe Beunruhigendes gelesen, aber daà es um die englische Gesellschaft so schlimm stehe, erschrecke ihn zutiefst. Allerdings liege sein letzter Heimatbesuch einige Jahre zurück, so daà er nicht zu beurteilen vermöge, ob die Schilderung nicht zu einseitig sei. Deshalb werde er seine Freunde in England um eine Einschätzung bitten. Einige Wochen später ruft das Sekretariat der protestantischen Kirche in der Nationalbank an und lädt den stellvertretenden Direktor ein, den Bischof noch einmal zu besuchen. Als der stellvertretende Bankdirektor eintrifft, schüttelt ihm der Bischof traurig die Hand. Ja, seine Freunde hätten geantwortet, und ja, alles, was Miss Ising oder so ähnlich berichtet, entspräche leider der Wahrheit. Die Stimmung zu Hause sei hysterisch und die Arroganz abstoÃend; nicht nur, daà man sich wegen des Putsches nicht schäme, nein, seine Landsleute seien sogar stolz darauf, und die Presse stelle die Iraner als ein Volk von Barbaren und Fanatikern dar. So schwer es ihm fiele, müsse er einräumen, daà es zur Zeit offenbar nicht ratsam sei, junge Iraner zum Studium ins Vereinigte Königreich zu schicken. GroÃvater ist das seltene Kunststück gelungen, als Iraner hundertsiebenundsiebzig und zwei Drittel engbedruckte Seiten über seine und damit Irans Geschichte zu schreiben, ohne jemals die Schuld für die Misere auf ausländische Mächte zu schieben. Zuerst dachte ich, auf der letzten, auf Seite 178 würde es im unteren Drittel anders, dann lese ich weiter und stelle fest, daà GroÃvater den Absatz keineswegs hinzugefügt hat, um schlieÃlich doch den Imperialismus verantwortlich zu machen. Nein, GroÃvater rechtfertigt mit dem Hinweis auf Miss Ising oder so ähnlich im unteren Drittel der letzten Seite die Kritik an der eigenen Kultur, die sich von der ersten Seite an durch seine Selberlebensbeschreibung zieht: Er sei stolz darauf, niemals Kontakte zu offiziellen ausländischen Stellen gehabt zu haben, so daà seine Erfahrungen mit den Franken sich auf die Bekanntschaft mit gewöhnlichen Bürgern und vor allem auch Vertretern der Kirche beschränkten. Die letzte Episode habe er hinzugefügt, um zu zeigen, wie hoch im Land der Franken die Selbstkritik geschätzt werde und wie sehr sich jedenfalls gewöhnliche Bürger und Kirchenvertreter um Aufrichtigkeit bemühten, selbst wo es den eigenen Interessen schade und den Nationalstolz verletze. Daà sie sich daran ein Beispiel nähmen, wünsche er den Iranern und allen Muslimen, denen Gott der Allmächtige in Sure 4,135 aufgetragen habe: »O ihr, die ihr glaubt, bleibt fest in der Gerechtigkeit, so ihr Zeugnis ablegt zu Gott, und sei es auch wider euch selber oder eure Eltern und Verwandten, mag einer arm sein oder reich, denn Gott ist nahe beiden.« GroÃvater, ich finde schon, daà Ihr Leben von Interesse für eine allgemeine Leserschaft ist, und werde es Ihrem gelehrtesten Freund, Ihrer ältesten Tochter und noch den Busreisenden der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd sagen.
Daà eine Notiz über eine italienische Jesusdarstellung des frühen siebzehnten Jahrhunderts vierhundert Jahre später zum Gegenstand einer Debatte in Deutschland wird, deretwegen am Montag, dem 18. Mai 2009, um 10:56 Uhr zwei Fernsehkameras neben dem Teppich-Paradis postiert sind, wie ihm soeben der Hausmeister unter die Nase rieb, hätte sich ein Romanschreiber nicht ausdenken dürfen. Ein Einfall wäre es gewesen, eine schlechte, da allzu konstruierte Wende: Der
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