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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Treue zum eigenen Land «. Und noch ein langes Zitat, das der Sohn iranischer Einwanderer dem Präsidenten unter die Nase reiben wird: »Ich ›liebe‹ Deutschland nicht, sowenig wie ich mich selbst ›liebe‹. Wenn ich ein Land liebe, ist es Frankreich [Eben! würden die Großeltern rufen], aber auch jedes andere Land könnte ich eher lieben als mein eigenes – auch ohne Nazis. Das eigene Land hat aber eine ganz andere, viel unersetzlichere Rolle als die des Geliebten; es ist – eben das eigene Land. Verliert man es, so verliert man fast auch die Befugnis, ein anderes Land zu lieben. Man verliert alle Voraussetzungen zu dem schönen Spiel nationaler Gastlichkeit – zum Austausch, Einandereinladen, Einanderverstehen-Lehren, Voreinander-Paradieren. Man wird – nun eben ein ›Sans-patrie‹, ein Mann ohne Schatten, ohne Hintergrund, bestenfalls ein irgendwo Geduldeter – oder, wenn man freiwillig oder unfreiwillig darauf verzichtet, der inneren Emigration die äußere hinzufügen, ein gänzlich Heimatloser, ein Verbannter im eigenen Land. Diese Operation, die innere Loslösung vom eigenen Land, freiwillig zu vollziehen, ist ein Akt von biblischer Radikalität: ›Wenn dich dein Auge ärgert – reiß es aus!‹« Es ist 4:10 Uhr geworden, bereits Samstag, der 14. Oktober 2006. In ein paar Stunden wollen sie nach Leiden fahren, wo sich sein Koranlehrer auf sie freut. Von dem Rest des geplanten Absatzes schafft er es nur noch, die Stichwörter abzuschreiben, die er sich in Kafkas Tagebücher notiert hat, bevor er endlich zu dem zweiten Grund gelangt, wegen dem er ohnehin nicht hätte schlafen können. Haffner hätte ihn auf die Islamische Revolution gebracht, von der aus der Sohn iranischer Einwanderer auf das Gespräch mit dem Außenminister kommen wollte: Wie mit einem Exilanten oder Emigranten hatte der Außenminister zu ihm gesprochen. Und tatsächlich war er gegenüber dem Vertreter des deutschen Staats nur noch Iraner, so besorgt und betroffen äußerte er sich über das Land, das offenbar sein eigenes ist. Als beim Mittagessen ein Diplomat bemerkte, daß der Gast zwar iranische Eltern habe, aber in Deutschland geboren sei, in Deutschland aufgewachsen und noch dazu deutscher Schriftsteller, entspann sich eine Diskussion ähnlich wie bei Kafkas Empfang im Meraner Sanatorium: »Nach den ersten Worten kam hervor, daß ich aus Prag bin; beide, der General (dem ich gegenübersaß) und der Oberst kannten Prag. Ein Tscheche? Nein. Erkläre nun diesen treuen deutschen militärischen Augen, was du eigentlich bist. Irgendwer sagt ›Deutschböhme‹, ein anderer ›Kleinseite‹. Dann legt sich das Ganze und man ißt weiter, aber der General mit seinem scharfen, im österreichischen Heer philologisch geschulten Ohr, ist nicht zufrieden, nach dem Essen fängt er wieder den Klang meines Deutsch zu bezweifeln an, vielleicht zweifelt übrigens mehr das Auge als das Ohr. Nun kann ich das mit dem Judentum zu erklären versuchen. Wissenschaftlich ist er zwar zufriedengestellt, aber menschlich nicht.« Kafka hatte, wovor der Präsident die Einwandererkinder bewahren möchte: eine ausgesprochen multiple Identität. Als Staatsbürger gehörte Kafka dem Habsburgerreich an, später der Tschechischen Republik. Für die Tschechen waren er und die gesamte deutschsprachige Minderheit in Prag einfach Deutsche. Unter den Prager Deutschen wiederum galt jemand wie Kafka vor allem als Jude. Nicht einmal Kafka selbst konnte klar sagen, zu welchem Kollektiv er gehörte. Den alltäglichen Umgang mit zwei Sprachen erwähnte er in einem Brief an Milena, die seine deutschen Briefe auf tschechisch zu beantworten pflegte: »Ich habe niemals unter deutschem Volk gelebt, Deutsch ist meine Muttersprache und deshalb mir natürlich, aber das tschechische ist mir viel herzlicher, deshalb zerreißt Ihr Brief manche Unsicherheiten.« Das wäre der Übergang gewesen zu der Unterhaltung mit der türkischen Schriftstellerin, der in Ankara der Prozeß gemacht wird. Von der Hoffnung, die sie nicht etwa auf das müde Europa, sondern auf den Umbruch in ihrer Heimat setzt, wäre er zu der Hoffnungslosigkeit des Journalisten gekommen, dessen abgeklärte Reportagen er schon als Vierzehnjähriger verschlang, den sarkastischen Scherzen über die Furcht des Westens vor einem

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