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schreiben, daà der Verlag nicht mehr der alte sei â der Romanschreiber saà auf dem Stuhl, dem authentischen Stuhl, auf dem Theodor W. Adorno seine Vertragsverhandlungen führte. Alle raten zu dem Verleger in München, der mehr von Büchern verstünde als jeder andere in Deutschland â allein, da waren die Briefe des jungen Peter Handke, die der Romanschreiber im Frankfurter Keller durchblättern durfte, und der alte Jaguar, in dem Samuel Beckett zum Bahnhof gefahren wurde, da war die Vorstellung, ja, daà in fünfzig Jahren ein anderer Romanschreiber im selben Keller auf einen Briefwechsel mit ihm stöÃt. Nicht mehr jede Mahnung, jeder Seufzer über eine Rezension werde aufbewahrt, sagte der Archivar, E-Mails nur ausgedruckt, wenn ihnen historischer Wert zukomme. Abgesehen davon zieht der Verlag nach Berlin um, wo Theodor W. Adorno nicht Platz nahm und Samuel Beckett nicht zum Bahnhof gefahren wurde. Nur der späte Peter Handke wird dort sein, hingegen der Jaguar versteigert und das Archiv ans Land Baden-Württemberg verkauft, das erst recht nicht an jeder Mahnung, jedem Seufzer interessiert sein wird, wie schon der Herausgeber der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe erfahren muÃte. Andererseits versprach die Verlegerin, als Frau der Frau des Romanschreibers zu erklären, warum der Roman, den ich schreibe, eine groÃe Liebeserklärung sei. Ihr würde es gelingen, das spürt der Romanschreiber und hofft zugleich, daà die Frau es von selbst sehen wird, deren Mann er nicht mehr sein wird, wenn alles seinen besprochenen Gang geht. Am meisten fürchte er apropos das Wort des Musikers in München, der sich von niemandem etwas erklären lassen wird. Der Musiker wird die Notwendigkeit sehen, daà jemand Zeugnis ablegt, oder den Romanschreiber verfluchen, der das Offenbarte für eigene Zwecke verwertet. Es sind nicht meine Zwecke, würde der Romanschreiber beteuern. Was tut er, wenn der Musiker Einspruch erhebt? Zwar ist der Romanschreiber allein im Flur der Radiologie, doch sorgt er sich, daà eine Videokamera ihn dabei beobachtet, wie er das Wirtschaftsmagazin in den schwarzen Rucksack steckt. So unauffällig wie der iranische Geheimdienst schiebt er das Wirtschaftsmagazin unter den Laptop, um beides zusammen zu verstauen, wenn er das Kontrastmittel getrunken hat. Den Diebstahl rechtfertigt er vor sich selbst damit, daà in dieser Woche kein anderer Patient ein so dringliches Interesse am Titelthema haben wird â »Sie meinen, Ihr Partner bleibt auch nach der Trennung fair?« â und die Arzthelferin ihm die Zeitschrift sofort aushändigen würde, schilderte er ihr den Grund. Er möchte sie nur nicht unnötig behelligen. O Gott, er glaubt, sich gleich übergeben zu müssen, und
Wer zu Gott kommen will, muà mit dem Ich beginnen, das nicht nur in dem Roman, den ich schreibe, sondern in so vielen anderen Romanen der Gegenwart vom Subjekt zum Objekt wird. Wie Jean Paul redet auch John Coetzee, dessen Tagebuch eines schlechten Jahres der Romanschreiber deshalb bereits ins Spiel brachte, in seinen Romanen immer wieder über einen John Coetzee in dritter Person. Eine noch merkwürdigere Selberlebensbeschreibung hat Coetzee in Summertime vorgelegt: Menschen, vor allem Frauen, die ihm viel bedeuteten, reden über John Coetzee, der verstorben sei. Das Bild, das sie entwerfen, ist so unvorteilhaft, daà mir aufgeht, wieviel Rücksicht der Roman, den ich schreibe, also doch nahm, nicht vor den Lesern, das nicht, jedenfalls nicht anfangs, da der Romanschreiber sie kleingeschrieben ausgesperrt hatte und auf Sie groÃgeschrieben nun wirklich nicht hoffen durfte, was immer eine solche Behauptung in einem Roman wiegt, Rücksicht vielmehr auf sich selbst, indem er sich angesichts niederer Beschäftigungen, banaler Gedanken und billiger Zweifel zwar als schwächlich, aber bei weitem nicht in seiner ganzen Erbärmlichkeit zu sehen bereit war, die durch eine grundsätzliche, metaphysisch bedingte Erbärmlichkeit aller Menschen noch gesteigert würde, da er in dem Fall nicht einmal negativ eine Besonderheit reklamieren könnte. Zur Entlastung vermag er nur das nachlassende Interesse an sich selbst anführen, womöglich seinem mittleren Alter geschuldet, das ihn vom Selbsterlebten fort zum Leben seines GroÃvaters führte und paradoxerweise eben dadurch zum Ich. Wenn ich es im Wirrwarr der verschiedenen Fassungen
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