Dein Name
der den Halt verloren und sich der Gnade anvertraut, die am Abgrund so realistisch erscheint wie ein Adler, der den Fallenden auffängt und nach Hause bringt. »Auf den gefürchteten überschneiten Höhen der Auvergne, in Sturm und Wildnis, in eiskalter Nacht und die geladene Pistole neben mir im rauhen Bette, â da habâ ich auch ein Gebet gebetet, das bis jetzt das beste war in meinem Leben und das ich nie vergessen werde. Ich bin erhalten â danken Sie mit mir!« Und umgekehrt Jean Pauls fortlaufende Selberlebensbeschreibung, die alles, aber auch wirklich alles mögliche enthüllt, nur kaum etwas oder jedenfalls nichts Zuverlässiges über Jean Paul: Niemals habe ich einen Schriftsteller gelesen, der seinen Namen in erster oder dritter Person so oft in seinen eigenen Romanen erwähnt, der seine Umwelt in diesem oder jenem datierten Augenblick so ausführlich beschreibt, auf Ereignisse seiner unmittelbaren Gegenwart eingeht, wirkliche Personen auftreten läÃt und sein Schreiben ständig reflektiert â und sich gerade in der EntblöÃung so konsequent abschirmt wie Jean Paul. Der deutsche Schriftsteller, dessen Werk dem Leben am nächsten steht, ist darin selbst am fernsten. Die Biographien Jean Pauls tragen anders als die Wäschelisten Hölderlins, die die Frankfurter Ausgabe zusammenträgt, nur ÃuÃerlichkeiten zum Verständnis bei. Manchmal wirkt Jean Paul auf mich wie ein Alleinunterhalter, der immerfort redet, brillant redet, witzig redet, klug redet, mich an die Wand redet, um nichts â nein!, nicht nichts zu sagen, das ist natürlich Unsinn â um durch Budenzauber vom Wesentlichen abzulenken, das auch bei ihm oft genug das Grauenvolle ist. Er ist geistreich, unglaublich gebildet, beschlagen auf allen Gebieten, charmant, eloquent, aber je länger er mich begleitet, desto mehr glaube ich an das, was er verbirgt. Ja, wie ein Exhibitionist wirkt er manchmal auf mich, der nur deshalb frech die Scham entblöÃt, damit niemand auf seine traurigen Augen achtet. Aufregend wäre das Manische â als ob er nicht aufhören könnte zu glänzen, selbst wenn das Publikum längst nach Hause gegangen oder nie zur Vorstellung gekommen sein sollte, hier noch eine Pirouette um das eigene Ich, wenn Jean Paul im Quintus Fixlein über einen Jean Paul schreibt, der sich als Quintus Fixlein ausgibt, den wiederum Jean Paul erdichtet hat, dort noch einmal ein Doppelachter, wenn Jean Paul im Siebenkäs einen Romanschreiber, der nicht Jean Paul heiÃt, über einen Romanschreiber namens Jean Paul sagen läÃt: »Jean Paul, der die Geschichte schon vorgestern wuÃte und also die kühlende Methode ebensolange vor mir gebraucht hatte, will an meiner Stelle die Gemäldeausstellung unserer insularischen Blumenstücke besorgen und ein Nachschreiben anschlieÃen. Recht! Denn ich könntâ es heute wahrlich nicht.«
»Man möchte gar nicht mehr nach Hause kommen, weil dort Briefe liegen könnten wie Deiner. Es hat mich enttäuscht und schwer verwundet, daà Du Dich nie mehr bei gemeldet hast, Dich am Telefon verleugnen lieÃt, nach Köln und Rom kamst, ohne anzurufen. Ich meinte ja zu wissen, was es bedeutet; daà Dein Schweigen nicht persönlich gemeint war, Du vermutlich die Absicht hattest zurückzurufen, aber es jedesmal vergaÃt, weil Dich der Roman nicht mehr interessierte, den ich schrieb. Wie mit einer Geliebten, die nicht einmal Lebwohl gewünscht, schloà ich ab, sagte jedem, der es nicht wissen wollte, daà meine Bücher künftig anderswo erschienen, und wartete auf die Gelegenheit, es Dir zu sagen, ohne daà daraus ein Brief oder ein Anruf würde, denn schreiben oder anrufen wollte ich nicht mehr, solange meine früheren Nachrichten unbeantwortet blieben. / Gerade in den letzten Wochen muÃte ich oft an Dich denken, weil ich bei der Arbeit an einer Fassung, die auch andere als Du lesen könnten, zu Absätzen gelangt bin, in denen Du vorkommst, Deine ersten Lektüren, die mir Mut machten, Deine Empfehlung, die Stelle in Berlin anzunehmen, weil sich meine Bücher nicht verkaufen. Ich hatte schon beinah vergessen und jedenfalls nach Kräften verdrängt, wie nah Du mir standst, wie sehr ich Dir vertraute. Als Romanschreiber warst du für mich der eine einzige Verleger und wirst es bleiben. / Ich bin stolz, in der Zeitung meinen Namen unter den Autoren zu
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