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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Bauch und sang zwischen den Trällern das Hochzeitslied, ›hoch hoch hoch!‹, mit dem sie trällernd und singend und rhythmisch auf den Bauch schlagend aus dem Zimmer marschierte, meine Schwestern und die Bediensteten hinterher, der kahle, knochige Mohammad Hassan mit einem Stuhl in der Hand, den er als Trommel benutzte, alle tanzend, alle klatschend, alle trällernd in ihren Nachthemden, Mohammad Hassan nur mit Unterhose und Unterhemd bekleidet, sogar Papa, mein kleiner großer Papa, den ich noch nie tanzen gesehen hatte, klopfte mit der flachen Hand auf seinen Pyjama und schwenkte ungelenk die Hüften. Und ich weiß nicht wie und warum, wer mich geholt hatte oder ob ich selbst aus dem Mückennetz getreten war, plötzlich stand ich ebenfalls im Hof und bewegte mich zaghaft im Rhythmus. Nur Mama, die sonst auf jeder Tanzfläche die erste war, nur Mama, die den Bräutigam ausgesucht hatte und also die größte Verantwortung trug, saß im Schneidersitz auf der Veranda und warf mir milde Blicke zu.« Daß die Mutter mittanzte, hat der Sohn von sich aus hinzugefügt. Sie selbst erwähnt nicht, wie sie reagierte, als die Familie mitsamt den Bediensteten zum Feiern in den Hof marschierte. Der Leser möchte doch wissen, wo sie bei der Szene war, sagte sich der Sohn, und sie wird schon nicht allein im Mückennetz zurückgelassen worden sein, sonst hätte sie nicht Großvaters Hüftschwung bezeugt. Aber literarisch ist es wahrscheinlich klüger, ihren Standort offenzulassen; auch wirkt der Schluß des Kapitels jetzt zu versöhnlich. Ihre Kritik an der arrangierten Ehe, die Kritik generell an der Benachteiligung und Unfreiheit der Frauen im Iran ihrer Jugend, die der Sohn selbst einforderte, wird relativiert, wenn sie im Hof tanzt, so zaghaft auch immer. Übrigens nahm ich immer an, daß Großvater den Bräutigam ausgeguckt hatte, dessen Familie einem niedrigeren Stand angehörte, dafür als besonders fromm galt. Daß der Vater Großmutters Wahl war, erklärt um so besser den Zorn der Mutter in Siegen.
    Zuerst sollte der Roman, den ich schreibe, Totenbuch heißen, dann Hauptwerk , weil er statt der Toten zunächst nur Nebensächlichkeiten enthielt, dann In Frieden , wie es im Vertrag steht, und zuletzt Das Leben seines Großvaters . – Bloß nicht wieder die Familiengeschichte eines Migranten, stöhnt am Telefon der Redakteur, dem der Romanschreiber verkündet hat, wie der Roman heißen wird, den ich schreibe. – Aber es ist nicht das Leben meines Großvaters, sondern das Leben seines Großvaters, versucht der Romanschreiber den neuen Titel zu verteidigen. – Und wenn es das Leben Ihres Gartenzwergs wäre, ich kann diese Migrationsliteratur nicht mehr lesen, die rauf und runter mit Preisen bedacht wird. – Migrationsliteratur? – Migrationsliteratur, bestätigt der Redakteur, welcher Mode er den Roman eines Einwanderersohns zuordnen würde, der Das Leben seines Großvaters heißt. O Gott, denkt der Romanschreiber, der bei dem Roman, den ich schreibe, an alles dachte, an Jean Paul, an Hölderlin, seinetwegen an Idealismuskritik, aber nicht an Integrationsromantik.
    Â»Zwei Tage später – ich war gerade erst aufgestanden und wir frühstückten in Mamas Zimmer – klingelte es. Mah Soltan stand auf, um das Tor zu öffnen – und wer winkte kurz darauf vom Hof aus lächelnd durchs Fenster: er. Sein Besuch zu dieser Tageszeit und noch dazu unangemeldet war so unerwartet, ungewöhnlich und wider die Sitte, daß jeder den anderen sprachlos ansah. Ich sprang auf und rannte wie eine Maus, die vor der Katze ins nächstbeste Loch flieht, in Mamas Schlafzimmer, wo ich mich wieder hinterm Bett verkroch. Und wer trat kurz darauf ins Zimmer? Nicht etwa meine Tante, viel schlimmer, ich hörte es schon an den Schritten – kurz darauf kniete er auf der Matratze und beugte sich schmunzelnd zu mir herunter: ›Was machen Sie denn hier, junge Dame?‹ Dann griff er mir sanft unter die Arme, um mich aufzurichten. Die Maus war zwischen die Pfoten der Katze geraten. ›Heute abend gehen wir picknicken, junge Dame‹, kündigte er an, als seien wir gestern abend angeln gewesen und vorgestern schwimmen: ›Ich hole Sie vor der Abenddämmerung ab.‹ Dann lachte er, als sei mir ein hinreißender Scherz geglückt, obwohl mir kein einziges Wort über die Lippen

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