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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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nur bei der Begrüßung, dann kam man als Kind gut mit ihm aus. Meine Tochter jedenfalls ging immer gern zu Onkel Ahmad, und ich fuhr bei dem Familienausflug nach Tschamtaghi nicht zufällig in seinem Auto und auch nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich ihn liebte.
    Daß ich mich bei Geselligkeiten oft neben ihn setzte, tat Onkel Ahmad erkennbar gut. Obwohl er Großvater äußerlich so sehr glich, ja, wie ein großgewachsener, in die Länge gezogener und sehr kräftiger Großvater aussah, hätte sein Stand in der Familie kaum verschiedener sein können, auch nachdem er zum Ältesten geworden war. Bei einer Geselligkeit während meines letzten Besuchs, die er bis dahin wieder mit dem Gesichtsausdruck verfolgt hatte, als sprächen die anderen eine fremde Sprache, wollte Onkel Ahmad etwas sagen. – Kinder, hört mal zu, rief er mit durchaus lauter Stimme, ohne daß jemand ihm Beachtung schenkte oder wenn, dann nur einer seiner drei Schwager, mit dem sich daraufhin ein paar Minuten lang ein Zwiegespräch ergab, bevor Onkel Ahmad wieder still wurde. Jeder wußte und am besten seine drei jüngeren Schwestern, daß die Abendunterhaltung für zehn bis zwanzig Minuten unterbrochen sein würde, sobald Onkel Ahmad das Wort an sich riß, um wahrscheinlich das Buch zu referieren, das er gerade las und besonders ich unbedingt lesen solle, der doch diese Dinge studiere; den Titel mußte ich mir in meiner persischen Kinderschrift gleich notieren, meistens ein Buch über iranische Geschichte, sonst über Saadi oder Hafis. Schließlich setzte sich Onkel Ahmad doch durch, auch die Schwager hatten geholfen, alle anderen Gespräche verebbten, während er mit seiner rauchigen, bis zum Schluß kräftigen Stimme den Monolog begann. Daß er unter den weltgewandten Verwandten als einziger im Isfahaner Singsang mit den hellen Satzenden redete, verstärkte noch den Eindruck des Bäuerlichen, des Kernigen, des Ungeschlachten, den schon seine Statur hervorrief, die großen Hände, die breite Stirn, die runden Wangen wie Großvater, die dicken Lippen (das Photo oben zeigt ihn schon stark geschwächt).
    Soviel Respekt vor dem Älteren mußte dann doch sein, daß Onkel Ahmad, wenn er einmal das Wort führte, nicht einfach unterbrochen werden konnte, so daß sich alle darauf einrichteten, die nächsten zehn oder fünfzehn Minuten das Buch referiert zu bekommen, das er gerade las. Ich fand das nicht so schlimm, weil die Bücher mich oft sogar interessierten und ich es Onkel Ahmad gönnte, daß ihm wenigstens einmal am Abend alle zuhörten. Auch die Schwager blickten mild, die sich schon immer gut ihm verstanden hatten. Nur seine drei Schwestern, die Ungeduldigen, als Kinder schon Vorlauten, hielt es kaum auf dem Stuhl. Sie warfen sich Blicke zu, schüttelten den Kopf und gaben einen Stoßseufzer nach dem anderen von sich. Aber gut, dachte ich, sie hören zu, selbst sie lassen Onkel Ahmad einmal ausreden, vielleicht wird es diesmal interessant.
    Nach nicht einmal zwei Minuten stand meine Tante plötzlich auf und fing an, sich flüsternd von allen zu verabschieden, während Onkel Ahmad weiter den Inhalt seines Buchs vortrug, sie müsse dringend nach Hause, ein Anruf der Kinder aus Amerika, aber psst, sie wolle das Gespräch nicht unterbrechen, bleibt sitzen! und hielt den Zeigefinger der linken Hand vor den Mund, während sie mit der rechten Hand in die Runde winkte, als bliebe bei einer iranischen Geselligkeit Iran tatsächlich jemand sitzen, wenn ein Gast sich verabschiedet, noch dazu die Tante. Natürlich sprangen alle Verwandten auf und flüsterten ihr die Grüße zu, die sie den Kindern in Amerika ausrichten möge, während Onkel Ahmad zunächst noch weiter das Buch referierte, jaja, bestell ich, grüß du auch, und was machst du eigentlich morgen? fragte meine Mutter, ohne noch zu flüstern, worauf meine Tante in normaler Stimme antwortete, daß sie morgen bei den Soundsos eingeladen sei, ob meine Mutter sie begleite, nein, nein, erwiderte meine Mutter, morgen müsse sie und so weiter. Nur noch die Schwager hörten Onkel Ahmad zu, die aber schließlich auch aufstehen mußten, um sich von der Tante zu verabschieden beziehungsweise sie nach Hause zu begleiten, so daß am Ende Onkel Ahmad als einziger sitzen blieb, still und mit diesem tatsächlich etwas tumben Gesichtsausdruck, als

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