Dein Name
gespürt â er vor mir und hatte es auch schon literaturwissenschaftlich benannt: Gott ist schön. Und sehr weit voneinander entfernt, aus den denkbar unterschiedlichsten Blickwinkeln fürchteten wir den Vormarsch der Zeloten â er vor mir und wurde auch schon von ihnen ins Visier genommen.
Als ich nach Deutschland zurückkehrte, hatte ich das Thema gefunden, das mich die nächsten Jahre in Beschlag nehmen sollte wie seither keine Arbeit, weil seither alle Arbeiten in der Beglückung und Bedrängung der Kleinfamilie geschrieben wurden. Zugleich war ich mit meinem Studium versöhnt. Vor Kairo und noch für lange Zeit wollte ich immer ans Theater und bin in die Orientalistik eher wie in eine Fron gestoÃen worden. Mit der Moschee im Ohr und Abu Zaid als Augenöffner begriff ich, welche Aufgabe ich und nur ich in der Orientalistik zu verrichten hatte, der das Fachgebiet mit den Augen des Theatergängers betreten. Nur mir unter allen und zumal allen deutschen Orientalisten, so kam es mir in, wie sich herausstellen sollte, erstaunlich geringer Verstiegenheit vor, nur mir fiel auf, daà der Koran gehört, erlebt und genossen werden wollte, wie es nebenan die Moscheegänger taten und ringsum die Taxifahrer, Händler und Handwerker, die ich fragte, warum sie das Wort Gottes in den Rekorder geschoben hätten und nicht irgendeine Musik. Nicht weil die Botschaft so bedeutend und die Lehren so erbaulich â weil der Koran so schön sei, antworteten sie stets.
Er hingegen, ausgerechnet er, wurde zu einem der muslimischen Verfolgten, die es auf die Titelseite der New York Times bringen, unser Interview, das niemand interessiert hatte, zu einem Objekt der Begierde. Er hätte vor Gericht nur das Glaubensbekenntnis aufsagen müssen, die Anwälte drängten ihn dazu, zwei Halbsätze, dann hätte sich der Tatbestand der Apostasie erledigt. Abu Zaid weigerte sich, die Apostasie als Tatbestand anzuerkennen. An der Universität Bonn gründeten wir ein Unterstützungskomitee mit Prominenz und Veranstaltungen, auf denen wir erklärten, warum Abu Zaid nicht als Salman Rushdie tauge, der natürlich auch nicht umgebracht werden dürfe, aber doch ein ganz anderer Fall sei. Abu Zaids Fall zeige, schrieb ich in meinem ersten groÃen Artikel fürs überregionale Feuilleton, daà der Konflikt der Kulturen mitten durch den Islam verlaufe. Das klingt etwas banal, war 1993 in Deutschland jedoch durchaus eine Neuigkeit und trug ich mit solcher Verve vor, daà ich fortfahren durfte mit Artikeln, aus denen sich bis hin zum ersten Buchvertrag noch alles mögliche ergab. Selbst an meiner Ehe hat Abu Zaid Anteil, erinnerte meine Frau mich jetzt am Telefon: Unsere Augen trafen sich im Hauptseminar, während ich das Referat über seine Hermeneutik hielt. Mit deutlich weniger Verve brachte ich es dennoch zu Ende. Abu Zaid zu unterstützen wurde unser gemeinsames Projekt, das erste von vielen, in denen unsere Wohnung eine Rufzentrale war.
Ich sah Abu Zaid am Kölner Bahnhof wieder und zeigte ihm als erstes den Dom. So eine groÃe Kirche, und er war so klein geblieben, wegen Kummer oder einer Drüsenkrankheit noch dicker geworden, stand davor staunend wie einer aus dem unterägyptischen Dorf, nicht wie ein Korangelehrter. Wir trafen uns erst zum zweiten Mal und waren schon auf dem Weg zu uns nach Hause so vertraut wie Vater und Sohn, Meister und Schüler. Die Treppen zu unserer Wohnung schaffte er nur ächzend, aber er schaffte sie. Auf den Veranstaltungen â besonders wenn Muslime im Publikum saÃen, die ihre Toleranz dadurch unter Beweis stellten, daà sie ihn nicht umbringen wollten â erlebte ich ihn kämpferisch und manchmal zornig. Jenseits der Podien war er dankbar für die Zuneigung, die bis hin zu unseren Eltern, Nachbarn und Kommilitonen alle spontan ihm entgegenbrachten, und sehr genügsam, mischte die SoÃen der persischen Reisgerichte, wie es sich nicht gehörte, und aÃ, wenn es schnell gehen muÃte, auch die Penne Gorgonzola bis zum letzten Bissen auf, die ihm unmöglich schmecken konnte. Wenn wir einen Staatsvertreter besuchten oder er Interviews gab, hielt ich mich eben so weit im Hintergrund auf, daà ich dennoch immer für ihn da war. Ohne ernannt oder gewählt zu sein, war ich der Vorsitzende, Sprecher und Generalsekretär des Unterstützungskomitees Nasr Abu Zaid, meine erste öffentliche Funktion und
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