Dein Name
soll es ein Signal sein, welche Zeit für ihn gilt. Die Leser, auf die er hoffte, hätten jedenfalls zu einer Umrechnungstabelle greifen müssen, wie der Enkel in Deutschland. 1312 oder 1313 geboren, das bedeutet, daà GroÃvater nicht vierundneunzig geworden ist, wie die Mutter meinte, sondern höchstens neunzig. Mohammad Djafar Choà Tabnejad, sein GroÃvater mütterlicherseits, trug die Geburtstage der Kinder und Enkel in den Koran der Familie ein. Als GroÃvater sein Leben beschrieb, suchte er vergeblich nach diesem Koran. Es ist nur eine Spur, die einer sucht â vermutlich nur einer unter den vielen, die in Frage kämen â, damit ein anderer â und wieder nur einer unter vielen â der Spur des Spurensuchers nachgeht und so weiter, bis sie sich verliert, für niemanden von Bedeutung auÃer für die engsten Verwandten, wenn man vom historischen Interesse absieht, von dem GroÃvater fälschlich ausging: Sechs Generationen vor mir, an der Wende zum neunzehnten Jahrhundert, als Hölderlin sich in Frankfurt vor dem Fenster Suzettes versteckte oder bereits ein anderer war, trug ein junger Isfahani im Namen Gottes des Barmherzigen und Erbarmers den Geburtstag seines ersten Kindes in den Koran, der neu oder vererbt worden sein mochte. Der Koran ist verloren, damit dieser, alle nachfolgenden und womöglich früheren Namen. GroÃvater hat überall im Haus gesucht oder suchen lassen â GroÃmutter nahm das Anliegen nicht besonders ernst, nehme ich an, doch hatte er Töchter, die er bitten konnte â, hat herumtelefoniert und die Verwandten gefragt, die ihn besuchten, ob sie nicht diesen Koran gesehen haben. Welchen Koran? Da war doch dieser Koran, UrgroÃvaters Koran. Ich weià nicht, welchen Koran Sie meinen, Papa. Dieser Koran, UrgroÃvaters Koran mit den Geburtseinträgen, bitte sieh zu Hause nach. »Es wurde nicht klar, wo er ist, in wessen Händen«, betrauert GroÃvater den Verlust zwischen den Zeilen. Irgendwo muà er sein, weil niemand einen Koran wegschmeiÃt. Irgendwer wird lesen, eines meiner Kinder oder Kindeskinder, daà es einen Koran gibt, in dem neun Generationen zuvor in Isfahan die Geburtstage eingetragen wurden. Es bedeutet nichts. GroÃvater konnte man noch zubilligen, daà er sein Alter erfahren wollte, aber schon für mich und wie erst für diejenigen, die sich auf meine Spuren begeben mögen, würden die Einträge nichts mehr sagen. Es wären nur noch Namen.
Die Gynäkologin hörte das Herz schlagen, die GröÃe genau so, wie es der Woche entspricht, alle weiteren Werte optimal. Kein Blut mehr. Nicht mehr fünfzig Prozent. Soweit waren wir lange nicht mehr, sagte die Gynäkologin und stellte einen Mutterpaà aus. Nach der Geburt der GroÃtante wurde UrgroÃmutter mehrere Jahre nicht schwanger, so daà UrgroÃvater sogar die Möglichkeit ins Spiel brachte, eine Zweitfrau zu nehmen. GroÃvater gebraucht das Wort »sogar«, tâ ândjâ , wörtlich »bis dahin«, bis dahin war es gekommen. Polygamie scheint in den Verhältnissen, in die er geboren wurde, nicht mehr üblich gewesen zu sein. Tatsächlich war UrgroÃmutter entsetzt und suchte sogenannte Gebetsschreiber auf, doá-newisân ,kommerzielle Heilsbringer, die damals noch betrügerischer gewesen sein müssen, noch rückständiger in ihren Vorstellungen und Praktiken, wie GroÃvater betont. UrgroÃmutter befolgte alle möglichen Anweisungen für Gebete, Spenden sowie »seltsame Handlungen«, was immer ich mir darunter vorzustellen habe, und entdeckte einige Tage später an sich »zufällig«, wie GroÃvater betont, die Anzeichen einer Schwangerschaft. Wieder einige Tage später schnappte sie im Badehaus das Gerücht auf, daà eine andere Frau denselben Gebetsschreiber aufgesucht und ein Kind mit dem Aussehen einer Schildkröte zur Welt gebracht habe. In ihrer Ratlosigkeit und Verzweiflung wünschte sich UrgroÃmutter â ein junges Mädchen Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Iran, furchtsam und ahnungslos wie das Käthchen von Heilbronn stelle ich sie mir vor â, wünschte sich UrgroÃmutter zunächst den Tod, bis sie in der darauffolgenden Nacht ihren Schwiegervater im Traum sah, meinen UrurgroÃvater, dem fluÃabwärts die gewaltigen Ländereien gehörten. Er fragte sie, ob sie erfahren möchte, was sie im Bauch
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