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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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des Vierundzwanzigjährigen an sein Idol ist alle Hoffnung einer und aller jungen Künstlerexistenzen gebündelt, die Servilität so elegant, daß es an Hochmut grenzt, der Hochmut dessen, der nicht sieht, wie hoch er sich geschwungen: »Würdigen Sie mich zuweilen eines aufmerksamen Bliks!« bittet er Schiller, und weiter, an der Grenze zum Witz: »Der gute Wille der Menschen ist doch nie ganz ohne Erfolg.« Dann erst, im darauffolgenden zehnten Absatz kommt Hölderlin zum eigentlichen Grund des Briefes. Die wunderbar ausgefeilte Formulierung läßt die Mühe verschwinden, die sie gekostet haben muß: »Ich nehme mir die Freiheit, ein Blatt beizulegen, dessen Unwerth in meinen Augen nicht so ser entschieden ist, daß ich es mir zur offenbaren Insolvenz anrechnen könnte, Sie damit zu belästigen, dessen Schätzung aber eben so wenig hinreicht, mich aus der etwas bangen Stimmung zu setzen, womit ich dieses niederschreibe.« Ach so, darum geht’s, wird Schiller bei der Lektüre gedacht haben, der junge Mann möchte meine Meinung haben. Obwohl, daß dem Brief ein Blatt beiliegt, dürfte Schiller ja bemerkt haben, als er ihn aus dem Umschlag holte. Das allein ist es noch nicht. Erst im letzten Satz kommt Hölderlin zur Sache, deren Dringlichkeit ich so gut verstehe – Herr Schiller, drucken Sie gefälligst mein Gedicht, denn es ist großartig! Aber wie er es sagt, ist größer als das Gedicht selbst: »Sollten Sie das Blatt würdigen, in Ihrer Thalia zu erscheinen, so würde dieser Reliquie meiner Jugend mer Ehre widerfahren, als ich hoffte.«
    Vom Selbstzweifel läßt sich in der Vergangenheit bequem reden. Glaubt man erst wieder an sich selbst, kann man alles beichten, ohne daß es kratzt, alle Ängste, allen Jammer, den Eindruck, schlimmer: die definite Einsicht, nichts wert zu sein. Kein Gesprächspartner, kein Leser ist überrascht, davon zu erfahren. Im Gegenteil: Selbst dem berühmtesten Dichter nähme man nicht ab, sich niemals in Frage gestellt zu haben. Der Zweifel wird erwartet. Überall liest man davon. Kein Roman, ohne daß der Autor im Interview eine schöpferische Krise gesteht, die er zu überwinden hatte; erhält der Autor einen Preis, wird aus der Krise ein Existenzkampf. Ein Kampf! Macht man sich klar, was ein Kampf bedeutet, den jemand allein vor einem Bildschirm ausficht, müßte jeder einsehen, daß sich nichts daran heroisch anfühlt, sondern dem Spiegelfechter einfach nur elend ist. Etwas anderes ist es, von Selbstzweifeln im Präsens zu sprechen, zuzugeben, daß einen in diesem Augenblick, da man einen Text schreibt oder ihn vorträgt, die Frage quält, ob er nicht unbedeutend, schlecht geschrieben und oberflächlich sei. Allenfalls Tagebüchern vertraut man seine Krise in der Gegenwart an, der eigenen Frau, seinem langjährigen Verleger, den engsten Freunden – nicht der Öffentlichkeit, nicht einmal Kollegen, denen es genauso gehen muß. Bei Lesungen kann man beobachten, wie kleinste Irritationen genügen, um selbst angesehene Autoren zu verunsichern. Der Romanschreiber kann sich dann nur retten, wenn es ihm gelingt, sich spontan für den Größten zu halten, den nicht mehr als ein paar Wissende verstehen. Überhaupt schreibt man schließlich nicht für die Herbstbeilage, sondern für die Ewigkeit. Kein Staatsmann wäre selbstbewußt genug, vor einem tuschelnden Publikum zuzugeben, daß er selbst auch nicht mehr überzeugt ist, ob seine Rede etwas taugt, geschweige denn seine Politik. Nun haben Autoren bei Lesungen Manuskripte, die bereits bewertet worden sind, verlegt, gelobt oder sei es schlecht rezensiert, immerhin von irgendwem gelesen. Aber an dem Roman, den ich schreibe, trägt der Romanschreiber schwer, je größer die Furcht wird, sein Hauptwerk könne gar nichts wiegen. Und es ist ihm schrecklich peinlich, was er schreibt, so peinlich, wie es die paar Geständnisse gar nicht vermuten lassen. Peinlich ist ihm die Nacktheit, gerade weil sie sowenig zum Vorschein bringt. Nichts wird weggeworfen, nichts überspielt, die erste Aufnahme genommen, eine litterature veritée . Am liebsten würde er auch die Tippfehler bewahren. Wenn ihm ein Abschnitt nicht gefällt, streicht er ihn nicht, sondern schreibt im nächsten Absatz, daß der vorige ihm nicht gefallen hat. Nichts geht verloren, alles ist wert, aufbewahrt zu

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