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Afghanen, die herauszufinden versuchen, was die Astronauten wollen, die an eines nicht gedacht haben: an einen Ãbersetzer. SchlieÃlich stand der Abstecher zur PaÃbehörde nicht auf ihrem Tagesplan. Der Berichterstatter sieht, daà er gebraucht wird, und steigt aus, ohne den verbliebenen Presseoffizier um Erlaubnis zu fragen. Als er auf die Astronauten und die Afghanen zugeht, merkt er, daà er an eines nicht gedacht hat: an die Schutzweste und den Helm. So unangenehm ist es ihm, Kabuls StraÃen, auf denen ihm tags zuvor nur Gastfreundschaft begegnete, plötzlich in militärischer Ausrüstung zu betreten, daà er sofort kehrtmacht und Schutzweste und Helm in den Panzerwagen reicht. Dann kommt er den übrigen Astronauten, die überaus dankbar sind, endlich zu Hilfe und erfährt, daà sie vor der falschen Behörde angehalten haben. Chodâ hâfez , rufen die Afghanen ihnen nach: Gott schütze Sie.
Am letzten Abend fährt der Berichterstatter zu einem Protokollanten des afghanischen Parlaments, der sein Geld mit einer Wäscherei im sowjetischen Viertel Kabuls verdient. Was von der Mittelschicht übrigblieb, lebt dort in Plattenbausiedlungen. Der Taxifahrer hat Mühe, die Adresse zu finden, weil es nirgends Beleuchtung gibt: keine StraÃenlaternen, keine Reklameleuchten, nicht einmal in den Häusern brennt Licht, allenfalls hier und dort einzelne Lichter, die flackern, sonst nur die Autoscheinwerfer. Aber Autos fahren um die Zeit, neun Uhr abends, nur wenige â wohin auch, wenn es keinen Strom gibt und damit kein öffentliches Leben. Fünf Jahre nach dem Sturz der Taliban funktioniert in der Millionenstadt Kabul die Elektrizität noch immer nur drei bis vier Stunden täglich. Die Wasserversorgung ist erbärmlich, die Kanalisation eine Kloake. Immer wieder hat der Besucher von NATO -Offizieren gehört, daà Sieg und Niederlage ihrer Mission sich nicht auf dem Gefechtsfeld, sondern im humanitären Bereich entscheiden. Na dann, gute Nacht, denkt er, als er durch Kabuls menschenleere StraÃen fährt, mitten durch teichgroÃe Pfützen, überholt von rasenden 4-Wheel-Drives mit westlichen Insassen, vorbei an riesigen, stockdusteren Zeltstädten, in denen Flüchtlinge im fünften Jahr campieren, vorbei an französischen Restaurants und nagelneuen Villen, in denen Ausländer und neureiche Afghanen Strom und Warmwasser aus privaten Versorgungsanlagen beziehen und per Satellitenstandleitung vierundzwanzig Stunden täglich mit der Welt verbunden sind. An sich wäre nation-building eine prima Idee. Praktisch heiÃt es, daà der Wiederaufbau die Wirtschaft der Geberländer stärkt. Die Vereinigten Staaten etwa vergeben Aufträge an amerikanische GroÃkonzerne, die sich nicht durch die günstigsten Angebote, sondern die besten Lobbyisten, engsten Kontakte und höchsten Wahlkampfspenden hervortun. Die Konzerne wiederum engagieren Subunternehmer, die ihrerseits Subsubunternehmer engagieren. Das meiste Geld bleibt schon einmal als Profit zwischen den Unternehmen hängen. Nachzuweisen haben die Auftragnehmer nicht den Fortschritt, sondern Photos vom Fortschritt, die Berichterstattern und Parlamentsausschüssen per Powerpoint vorgeführt werden können. Dabei sind die Defizite wohldokumentiert, nicht bloà in Berichten afghanischer und westlicher Nichtregierungsorganisationen. So hat der amerikanische Rechnungshof nachgewiesen, daà die eigene, nationale Hilfsorganisation Aufträge für Orte vergibt, die kein Mitarbeiter zuvor besucht hat, etwa für StraÃen in isolierten Bergregionen, mitten durch Friedhöfe oder durch Schwemmebenen. Einige Vorhaben konnten auf Nachfrage nicht einmal auf Anhieb lokalisiert werden, und als die Plätze schlieÃlich gefunden wurden, stellte sich heraus, daà es dort zu abgelegen oder zu gefährlich war, um lange zu bleiben. Der Rechnungshof hat auÃerdem bemängelt, daà einzelne Projekte wegen fehlender interner Kommunikation gleich zweimal vergeben und finanziert wurden. Aber selbst die Gelder, die Afghanistan schlieÃlich erreichen, flieÃen gröÃtenteils zurück in die Wirtschaft der Geberländer. Das Essen, das Management, die Konstrukteure, die Geräte, die Unterkünfte, Wachleute, sogar die Baumaterialien und oft die Arbeiter werden aus dem Ausland eingeflogen, genauso wie die meisten Nahrungsmittel und natürlich die Bequemlichkeiten
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