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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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offensichtlichen Begeisterung beim Anblick der unzähligen Skier und Schuhe, der Stöcke und Helme. Selbstvergessen fuhr sie mit den Fingern über ein paar Bretter, die an der Wand hingen.
    »Spürst du den Schnee schon unter ihnen?«, neckte er sie.
    Sie stieß ihn freundschaftlich in die Rippen. »Ich werde einen fürchterlichen Muskelkater bekommen.«
    »Ach, so schlimm wird es nicht.«
    »Sicher?«
    Er lachte. »Aber vielleicht solltest du dir den Skipass gleich als Saisonkarte holen. Wenn du erst einmal Blut geleckt hast …«
    Zufrieden bemerkte er, wie sie sich langsam entspannte.
    *
    Ulf wartete bereits am Sessellift. Er war wie früher ganz in Schwarz gekleidet, und sein Anblick ließ Björn an ihre gemeinsamen Touren als Jugendliche denken. Das waren ihre Berge, gemeinsam hatten sie jeden Hang, jede noch so abgelegene Abfahrt erkundet. »Ihr seid mit Skiern an den Füßen geboren«, hatte sein Vater oft gesagt, der selbst ein leidenschaftlicher Abfahrtsläufer gewesen war. Maybrit und Caroline hatten das Kleeblatt komplettiert. Björn sah zu Caroline hinüber. Sie stocherte unsicher mit den Skistöcken im Schnee, er war jedoch überzeugt, dass sie spätestens nach zwei Abfahrten wieder das richtige Gefühl für den Schnee haben würde. Skilaufen war wie Radfahren. Man verlernte es nicht.
    Wie früher nahmen die beiden Männer sie im Lift zwischen sich. Wind zog über die Baumwipfel und stob ihnen Schnee in die Gesichter. Ulf setzte seine Skibrille auf. Er war noch schweigsamer als zuvor in Carolines Haus, und seine schwermütige Stimmung beunruhigte Björn.

    An der Mittelstation angekommen, erwartete sie ein grandioses Panorama. Bis an den Horizont zogen sich die verschneiten Bergrücken und schienen eins zu werden mit dem Himmel und den Wolken, die sich über ihnen auftürmten. Björn sah, wie Caroline die kalte Luft tief einatmete. Er stieß sich ab und fuhr zu ihr hinüber. »Allein für den Ausblick hat es sich schon gelohnt, oder?«
    »Ich habe das so vermisst«, gestand sie.
    »Wollen wir?«, fragte Ulf knapp, der gleich hinter ihm angefahren kam.
    »Ich werde erst einmal eine leichte Abfahrt nehmen.« Caroline warf einen Blick auf die Pistenkarte. »Es hat sich viel verändert.«
    »Wir haben in den letzten Jahren einige neue Pisten ausgebaut und den gesamten Westhang erschlossen«, erklärte Björn und wies auf den entsprechenden Abschnitt der Karte.
    Sie sah zum Gipfel hinauf, um dessen kahle Kuppe eine Schneewolke hing. »Ihr könnt ruhig weiter hochfahren.«
    »Zum Einlaufen sollten wir die ersten Abfahrten lieber gemeinsam machen«, widersprach Ulf. Ohne ein weiteres Wort fuhr er voraus, glitt schnell und leicht über den Schnee und wartete an der nächsten Kurve auf sie. Caroline startete vorsichtiger, doch schon nach ein paar hundert Metern bemerkte Björn, wie sie Sicherheit gewann und ihr Hüftschwung lockerer wurde. Lachend überholte er sie, fuhr ein Stück rückwärts und ließ sie dann erneut passieren. An der Talstation des Lifts angekommen, nahm sie die Skibrille hoch, und er blickte in ihre strahlenden Augen. »Und?«, fragte er.
    »Großartig!«, bekannte sie.
    Sie fuhren noch zwei gemeinsame Abfahrten, dann trennten sie sich, und Björn fuhr mit Ulf hinauf zum Gipfel. Ganz oben wehte beständig ein eisiger Wind und fegte den Schnee wie Nebel über den Boden. Das Gefühl, die Haftung zu verlieren und irgendwo zwischen Himmel und Erde zu schweben, war intensiv und das Panorama noch berückender als an dem einige hundert Meter tiefer gelegenen Ausstieg des Sessellifts. Diesmal war es Ulf, der trotz der Kälte verharrte und über die Berge blickte. Schließlich wandte er sich zu Björn um. »Lilli hatte eine Tochter, wusstest du das?« Er rief es gegen den Wind an, der ihm die Worte vom Mund riss.
    Björn sah seinen Freund überrascht an. »Eine Tochter?«
    »Ja, und ich bin der Vater.«
    »Ist sie deshalb damals von heute auf morgen verschwunden?«
    Ulf nickte.
    »Und wo ist ihre Tochter jetzt?«
    »Sie ist tot. Vor vier Wochen bei einem Unfall gestorben.« Mit diesen Worten stieß Ulf sich ab und schoss in hohem Tempo die Piste hinunter. Björn starrte der kleiner werdenden schwarzen Gestalt nach. Das war also der Grund für ihre Rückkehr. Eine Tochter, die sie durch einen Unfall verloren hatte. Und Ulf war der Vater. Björn schnalzte mit der Zunge, als ihm die Tragweite der Situation bewusst wurde. Gleichzeitig konnte er sich jedoch des Gefühls nicht erwehren, dass noch mehr

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