Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
Vom Netzwerk:
entsetzlich zerbrechlich. »Als Kind habe ich immer gehofft, dass sie es zumindest eine Zeitlang waren«, erwiderte er und vermied ihren Blick.
    Caroline schien nicht zu bemerken, wie konsterniert er war. »Ja, das Ende war traurig«, stimmte sie ihm nachdenklich zu. »Er stirbt, und sie ist gefangen im Körper des Vogels und kann nicht zurück in ihre Welt.« Sie sah zu ihm auf. »Deine Großmutter hat uns die Geschichte erzählt, weißt du noch? Wir waren …«
    Sie sprach weiter, aber er hörte ihr nicht mehr zu. »Du hast deiner – unserer – Tochter ihren Namen gegeben«, unterbrach er sie unvermittelt.
    Sie schluckte. »Ich … ich wollte, dass sie etwas von dir, von deiner Familie hat«, entgegnete sie nervös. »Etwas, das sie mit euch verbindet, das Nähe schafft.«
    Ihre Worte, vor allem aber die erneute Sehnsucht in ihrer Stimme irritierten ihn immer mehr. Was war damals nur geschehen? »Wenn dir das so wichtig war«, fragte er, »warum bist du dann nicht einfach mit ihr zurückgekommen?«
    Ihre Finger schlossen sich so fest um die Lehne des Stuhls, der vor ihr stand, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Ich konnte nicht.«
    »Warum, Lilli? Hilf mir, es zu verstehen!«
    »Ich …«, sie suchte nach Worten. »Ich hatte Angst. Es … es hatte sich so viel verändert mit Liannes Geburt. Sie war plötzlich der Mittelpunkt meines Lebens, das Einzige, was zählte.«
    »Wir wollten heiraten«, erinnerte er sie leise.
    »Ja, ich weiß … Ich hatte das Hochzeitskleid schon ausgesucht.«
    Er atmete tief durch. Sie hatten sogar einen Hochzeitstermin festgelegt. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, verdrängte den Schmerz, der wieder hochkam. Was passierte hier? Wie konnte ihn das alles immer wieder aufs Neue so aufwühlen? Sie mussten aufhören, er musste gehen und endlich mit Håkan telefonieren. Kurzentschlossen stand er auf. »Ich kann nicht länger bleiben, Lilli. Ich habe ein paar Dinge zu erledigen.«
    »Nein, bitte …«, hielt sie ihn zurück und schob das Foto über den Tisch. »Du hast noch nicht einmal ein Bild von ihr gesehen.«
    Er starrte auf die weiße Rückseite und schüttelte den Kopf. »Lilli, ich brauche mehr Zeit.«
    Ihre Finger legten sich auf das Foto, und kurz sah es aus, als wolle sie das Bild zerknüllen. Aber sie zog es nur zurück. »Ich wollte dir nicht zu nahetreten«, sagte sie entschuldigend. »Es ist nur … ich kann mit dir reden. Über sie. Über alles. Ich konnte das nicht einmal mit …« Sie bremste sich im letzten Moment, biss sich auf die Lippe.
    Thomas.
    Hieß er nicht so, wollte er fragen, aber er schwieg, als er merkte, dass er erneut in die Falle tappte. Er musste Distanz wahren. Er hätte niemals kommen dürfen.
    In diesem Moment fuhr draußen ein Wagen vor. Der Hund sprang auf und bellte. Ulf sah aus dem Fenster und erkannte Björns roten Pick-up.

10.
    B jörn stellte den Motor seines Achtzylinders aus und betrachtete nachdenklich das Heck des dunkelgrauen Audis vor ihm in der Grundstücksauffahrt. Dann sah er zu dem dunklen Holzhaus hinüber. Die Sonne spiegelte sich in den Fenstern, und er konnte nur ahnen, was dahinter geschah.
    »Er hat bei ihr übernachtet.« Mit diesen Worten hatte Maybrit ihn beim Frühstück aufgeschreckt.
    Er hatte versucht, sie zu beruhigen. »Ulf ist erwachsen. Er weiß, was er tut und worauf er sich einlässt.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Sie hatte ohne ein weiteres Wort aufgelegt. Augenblicke später hatte sein Telefon erneut geklingelt. »Er ist dein Freund. Du kannst ihn nicht sich selbst überlassen.«
    Er nahm Maybrit ihr diktatorisches Auftreten nicht übel. Sie machte sich Sorgen, und das war ihre Art, sie zu äußern. Er wusste um das große und mitfühlende Herz, das sich hinter ihrer schroffen Oberfläche verbarg, und er wusste es zu schätzen.
    »Beruhige dich«, hatte er deshalb zu ihr gesagt. »Ich fahr gleich mal raus und schau nach ihnen.«
    Maybrit war es gewesen, die sich nach Carolines sang- und klanglosem Verschwinden aufopfernd um Ulf gekümmert hatte. Sie allein wusste, wie tief die Wunden waren, die Ulf damals davongetragen hatte. Alle anderen hatten nur eine Ahnung gehabt, und vielleicht, wenn Maybrit nicht gewesen wäre …
    Die Haustür öffnete sich, und Carolines Hund sprang heraus und auf Björns Wagen zu. Björn zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, stieg aus und ließ die ungestüme Begrüßung des großen schwarzen Tiers über sich ergehen. Als er wieder aufsah, entdeckte er Caroline in der Tür.

Weitere Kostenlose Bücher