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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Schlafzimmer nebenan gelauscht, das Rascheln der Decken und Knarren des Bettes oder das kaum hörbare Blättern von Seiten, wenn noch gelesen wurde. Mit geschlossenen Augen hatte sie den Duft der frisch gewaschenen Bettwäsche eingeatmet, sich in die Daunen gekuschelt und unendlich geborgen gefühlt, so, wie sich nur ein Kind fühlen konnte, das sich der Sicherheit und der Liebe der Eltern gewiss war. Als junge Frau hatte sie dieses unbeschwerte und unschuldige Gefühl der Geborgenheit zwangsläufig verloren, wusste jedoch, welch sicheres Fundament sie damit für ihr Leben besaß. Letztlich hatte sie nur mit Hilfe dieses Urvertrauens den viel zu frühen Verlust der Eltern bewältigt. Es hatte sie getragen. Bis zu Liannes Tod. Dann war alles zusammengebrochen.
    Nebenan drehte Thomas sich im Bett um und schaltete das Licht ein. Sie stellte sich vor, wie er nach seiner Brille griff, um zu sehen, wie spät es war. Wie er seinen Entschluss bereute, ihr nachgereist zu sein.
    Es war ein Sonntag gewesen, an dem sie sich kennengelernt hatten. Ein regnerischer, schmutzig grauer Tag im November. Hätte er die leiseste Ahnung gehabt, was kommen würde, hätte er seine Schritte an jenem Tag vielleicht in eine andere Richtung gelenkt.
    »Ich habe versucht zu verstehen, warum du von heute auf morgen verschwunden bist«, hatte er vor wenigen Stunden zu ihr gesagt. »Zu akzeptieren, dass du mir keine Nachricht hinterlassen hast, weil du es vielleicht einfach nicht konntest.«
    Verstehen. Akzeptieren. Eine rationale, pragmatische Herangehensweise. Das war Thomas. Kein Mann des großen Dramas, sondern der leisen Worte. Dafür hatte sie ihn von Beginn an bewundert und später vielleicht sogar geliebt.
    »Meinen Sie nicht auch, dass Kunstgenuss hungrig macht?«, waren seine ersten Worte gewesen, damals in der Hamburger Kunsthalle, und während sie nun im Bett lag und darauf lauschte, wie er nebenan ein Buch aufschlug und darin blätterte, erinnerte sie sich, wie sie beim Klang seiner Stimme aufgesehen hatte und ihre Blicke sich begegnet waren, an das plötzliche Herzklopfen, das sie damals in dem kleinen, fast intimen Ausstellungsraum verspürt hatte. Sie war überrumpelt gewesen, hatte flüchtig gelächelt und den Ausstellungskatalog in ihren Fingern gedreht, ohne zu antworten. Dann hatte sie sich wieder dem Gemälde zugewandt und gewartet, dass er den Raum verlassen würde, aber er hatte nicht lockergelassen. »Was würden Sie zu einem Max Ernst empfehlen?«
    »Ich weiß nicht«, hatte sie unsicher geantwortet, und als er bemerkte, dass sie ernsthaft über seine Frage nachdachte, hatte er aufgelacht. Es war ein herzliches, ansteckendes Lachen gewesen, ihre Nervosität war wie von selbst verflogen, und sie hatte, ohne weiter darüber nachzudenken, seine spontane Einladung angenommen, mit ihm im Café der Kunsthalle den Schokoladenkuchen zu probieren, der seiner Meinung nach die perfekte Ergänzung zu den Bildern des Malers war.
    Es war still im Nebenzimmer. Thomas hatte schon lange keine Seite mehr umgeblättert. Starrte er wie sie die Wände an, während seine Gefühle Achterbahn fuhren? Sie knetete die Bettdecke unter ihren Fingern, als ihr bewusst wurde, wie sehr sie sich trotz allem wünschte, jetzt bei ihm zu sein und seine Nähe zu spüren.
    Ihre Beziehung war ein ruhig dahinfließender Strom gewesen. Keine wilden Strudel, keine gefährlichen Untiefen. »Ich habe dich noch nie so entspannt erlebt«, hatte Lianne ihr während dieser Zeit einmal gestanden. »Thomas tut dir gut.« Vielleicht hatte sie deshalb in seinen Antrag eingewilligt.
    Sie setzte sich im Bett auf, lauschte noch einmal in die Nacht. Nichts. Schließlich schlug sie die Decke zurück und stand auf. Wie erwartet schien Licht in Thomas’ Zimmer und erhellte den Fußboden unter der Tür, während alles andere im Dunkel verschwamm. Caroline zögerte. Sie hatte die Grenze selbst gezogen. Wäre es nicht fairer, es dabei zu belassen, statt aus Sentimentalität der eigenen Schwäche nachzugeben?
    Doch dann hörte sie, wie im Gästezimmer das Bett knarrte. Gleich darauf öffnete sich die Zimmertür, und sie stand, von Thomas’ Schatten zerteilt, im Licht mit ihren nackten Füßen und Beinen und in dem alten T-Shirt, das sie zum Schlafen übergestreift hatte.
    Thomas betrachtete sie einen Moment schweigend. »Wolltest du zu mir?«, fragte er schließlich, wobei er versuchte, die Resignation in seiner Stimme zu verbergen, und das Ausmaß dessen, was sie zerstört hatte,

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