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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Schultern sind leicht vorgebeugt, als würde ich mich gegen einen kalten Wind stemmen. Ist das der Beginn einer gekrümmten Fehlhaltung?
    Ich habe die fünf Stadien der Trauer durchlaufen. Ich habe die Krankheit geleugnet, gegen ihre Ungerechtigkeit angewettert, Pakte mit Gott geschlossen, mich in einem dunklen Loch verkrochen und mein Schicksal schließlich akzeptiert. Ich habe eine fortschreitende degenerative neurologische Störung. Das Wort unheilbar möchte ich nicht benutzen. Es gibt eine Therapie. Man hat sie bloß noch nicht gefunden. Bis dahin geht die Scheidung weiter.
    Ich wünschte, ich könnte berichten, dass ich mittlerweile meinen Frieden gemacht habe, dass ich glücklicher denn je bin, das Leben umarmt, neue Freunde gefunden habe und ein erfüllter, spiritueller Mensch geworden bin. Ich wünschte es mir wirklich.
    Wir haben ein verfallendes Häuschen, eine Katze, eine Ente und zwei Hamster, Bill und Ben, die allerdings auch Weibchen sein könnten. Der Besitzer des Tierladens schien nicht ganz sicher.
    »Es ist wichtig«, erklärte ich ihm.
    »Warum?«
    »Ich hab schon genug Frauen im Haus.«
    Laut unserer Nachbarin Mrs. Nutall haben wir außerdem ein Hausgespenst, eine frühere Bewohnerin, die die Treppe hinuntergefallen ist, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Mann im Großen Krieg, dem Ersten Weltkrieg, gefallen war.

    Der Begriff erstaunt mich immer wieder: Der Große Krieg. Was war so groß daran? Acht Millionen Soldaten und etwa ebenso viele Zivilisten starben. Es ist wie die Große Depression. Sollten wir das nicht irgendwie anders benennen?
    Wir leben in einem Dorf namens Wellow, fünfeinhalb Meilen vom Bath Spa entfernt. Es ist eines dieser malerischen, postkartengerechten Ansammlungen von Gebäuden, die kaum groß genug erscheinen, um die eigene Geschichte zu beherbergen. Das Fox & Badger, der Dorfpub, ist zweihundert Jahre alt und hat einen hauseigenen Zwerg. Wie dörflich ist das?
    Dafür haben wir keine Fahrschüler mehr, die rückwärts in unsere Einfahrt setzen, Hunde, die auf Bürgersteige kacken, und heulende Autoalarmanlagen auf der Straße. Wir haben jetzt Nachbarn. In London hatten wir auch Nachbarn, haben aber so getan, als würden sie nicht existieren. Hier kommen sie vorbei, um Gartengeräte oder eine Tasse Mehl zu borgen. Sie teilen sogar ihre politischen Ansichten mit, was für jeden Londoner ein absolutes Tabuthema ist, Taxifahrer und Politiker ausgenommen.
    Ich weiß nicht, was ich von Somerset erwartet habe, aber es reicht, wie es ist. Und man verzeihe mir bitte meine Skepsis, daran ist Mr. Parkinson schuld. Manche Menschen glauben, Sentimentalität wäre ein unverdientes Gefühl. Meine nicht. Ich zahle jeden Tag dafür.
     
    Draußen nieselt es nur noch. Die Welt ist feucht genug. Ich halte einen Mantel über meinen Kopf, öffne das Gartentor und gehe den Weg hinunter. Mrs. Nutall reinigt einen verstopften Abfluss im Garten. Sie trägt Lockenwickler und Gummistiefel.
    »Guten Morgen«, sage ich.
    »Verrecke.«
    »Vielleicht hört es endlich auf zu regnen.«
    »Verpiss dich und stirb.«
    Laut Hector, dem Wirt des Fox & Badger, hat Mrs. Nutall
nichts gegen mich persönlich. Offenbar hatte der Vorbesitzer des Häuschens ihr die Ehe versprochen, bevor er mit der Frau des Postamtsvorstehers durchbrannte. Das war vor fünfundvierzig Jahren, aber Mrs. Nutall hat nichts vergeben oder vergessen. Schuld hat immer der jeweilige Besitzer des Hauses.
    Als ich zum Dorfladen gehe, versuche ich den Pfützen auf meinem Weg auszuweichen und die innen neben der Ladentür gestapelten Zeitungen nicht nass zu tropfen. Ich beginne mit den Boulevardblättern und blättere sie auf der Suche nach einer Erwähnung des gestrigen Vorfalls durch. Es gibt ein Foto, aber der Artikel ist nur ein paar Absätze lang. Selbstmörder machen keine guten Schlagzeilen, weil Chefredakteure immer Angst haben, Nachahmer anzustiften.
    »Wenn Sie sie hier lesen wollen, bringe ich Ihnen einen bequemen Stuhl und eine Tasse Tee«, sagt Eric Vaile, der Ladeninhaber, und blickt von der Ausgabe des Sunday Mirror unter seinen tätowierten Unterarmen auf.
    »Ich habe bloß etwas gesucht«, entschuldige ich mich.
    »Ihre Brieftasche vielleicht.«
    Eric sieht aus, als würde er statt eines Dorfladens eine Hafenkneipe führen. Seine Frau Gina, die hochgradig nervös ist und jedes Mal zusammenzuckt, wenn Eric sich zu plötzlich bewegt, kommt aus dem Lagerraum. Sie trägt ein Tablett mit Getränkedosen und bricht unter dem Gewicht

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