Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Schultern.
Seine Stimme ist ein tiefes Grummeln. »Ich nehme an, Sie können Ihre Aussage selbst aufsetzen.« Er schiebt mir einen Block herüber.
Auf seinem Schreibtisch sehe ich ein Dutzend Umschläge und Stapel mit Fotos. Erstaunlich, wie viel Papierkram in derart kurzer Zeit produziert wurde. Auf einer der Akten steht »Obduktionsbericht«.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich einen Blick hineinwerfe?«
Abernathy sieht mich an, als hätte ich Nasenbluten, und schiebt mir die Akten über den Tisch.
CORONER VON AVON & SOMERSET
Obduktionsbericht Nr.: DX-56 312
Datum und Zeitpunkt des Todes: 28. 9. 2007, 17.07 Uhr
Name:
unbekannt
Geburtsdatum:
unbekannt
Geschlecht:
weiblich
Gewicht:
58,52 kg
Größe:
168 cm
Augenfarbe:
braun
Es handelt sich um die Leiche einer gut entwickelten und wohlgenährten Frau weißer Hautfarbe mit brauner Iris und klarer Kornea. Die Pupillen sind starr und erweitert.
Die Leiche ist kühl und weist die typische Blässe sowie teilweise ausgebildete Totenstarre auf. Keine Tätowierungen, Missbildungen oder Amputationen. Das Opfer hat am Bauch eine gerade OP-Narbe von dreizehn Zentimeter Länge, die auf eine Kaiserschnittentbindung hindeutet.
Beide Ohrläppchen sind durchstochen. Die Haare sind etwa vierzig Zentimeter lang, braun und gewellt. Alle Zähne sind natürlich und in gutem Zustand. Die Fingernägel sind kurz, rund gefeilt und lackiert. Auch die Fußnägel sind rosa lackiert.
Die schweren Gewebeabschürfungen sowie massive Hämatome durch stumpfe Gewalteinwirkung an Rücken und Unterleib entsprechen den Folgen eines Sturzes aus großer Höhe.
Äußere und innere Geschlechtsorgane weisen keinerlei Spuren von sexueller Gewalt oder Penetration auf.
Die Fakten sind von nüchterner Grausamkeit. Ein Mensch mit einem Leben voller Erfahrungen wird taxiert wie ein Möbelstück in einem Katalog. Der Pathologe hat ihre Organe gewogen, ihren Mageninhalt untersucht, Gewebe- und Blutproben entnommen. Der Tod kennt keine Privatsphäre.
»Was ist mit dem toxikologischen Bericht?«, frage ich.
»Der ist nicht vor Montag fertig«, sagt Abernathy. »Denken Sie an Drogen?«
»Wäre möglich.«
Abernathy will etwas sagen, überlegt es sich dann aber anders. Er nimmt eine Satellitenaufnahme aus einer Pappröhre und breitet sie auf seinem Tisch aus. In der Mitte sieht man die Clifton Suspension Bridge, die aus dieser Perspektive flach auf dem Wasser zu liegen scheint, statt sich fünfundsiebzig Meter darüber zu erheben.
»Das ist Leigh Woods«, sagt er und zeigt auf eine dunkelgrüne Fläche auf der Westseite der Avon Gore. »Am Freitag um
13.40 hat ein Mann, der mit seinem Hund im Ashton Nature Reserve spazieren war, eine fast nackte Frau in einem gelben Regenmantel gesehen. Als er auf sie zuging, rannte sie weg. Sie telefonierte mit einem Handy, und er dachte, es handelte sich womöglich um Fernsehaufnahmen.
Um 15.45 wurde sie zum zweiten Mal gesehen. Der Fahrer einer Reinigung sah eine splitternackte Frau, die in der Nähe der St. Mary’s Road über die Rownham Hill Road ging.
Um 16.02 Uhr hat eine Überwachungskamera an der Brückenauffahrt auf der Westseite sie erfasst. Das heißt, von Leigh Woods muss sie über die Bridge Road gekommen sein.«
Die Details sind wie Markierungen auf einer Zeitlinie, die den Nachmittag in mehrere unerklärlich erscheinende Abschnitte unterteilt. Zwischen der ersten und der zweiten Zeugenbeobachtung liegen eine Lücke von zwei Stunden und eine halbe Meile.
Der Sergeant blättert so schnell durch die Fotos der Überwachungskamera, dass es aussieht, als würde sich die Frau in stockender Zeitlupe bewegen. Durch Regentropfen auf der Linse sind die Fotos an den Rändern verwischt, aber die Blöße der Frau könnte nicht schärfer sein.
Das letzte Foto zeigt ihre Leiche an Deck eines flachen Boots. Albinoweiß. Mit einem Stich ins Fahle um die Hüften und die flachgedrückten Brüste. Die einzig erkennbare Farbe ist das Rot ihres Lippenstifts und der verschmierten Buchstaben auf ihrem Bauch.
»Haben Sie das Handy gefunden?«
»Im Fluss untergegangen.«
»Was ist mit ihren Schuhen?«
»Jimmy Choos. Teuer, aber mit reparierten Absätzen.«
Die Fotos werden beiseitegeschoben. Der Sergeant zeigt wenig Mitgefühl für die Frau. Sie ist ein zu lösendes Problem, und er will eine Erklärung - nicht für seinen Seelenfrieden oder aus professioneller Neugier, sondern weil ihn irgendwas an dem Fall verstört.
»Was ich nicht verstehe«, sagt er, ohne zu
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