Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Mr. Parkinson
einem das unweigerlich antut) oder ob mein Verdacht begründet ist.
Julianne hat sich verändert, aber das gilt auch für mich. Als wir uns kennenlernten, fragte sie mich manchmal, ob sie irgendwas zwischen den Zähnen hätte oder etwas mit ihren Kleidern nicht stimmte, weil die Leute sie ständig anstarrten. Sie war sich ihrer Schönheit so wenig bewusst, dass sie die Bewunderung, die sie erregte, gar nicht als solche erkannte.
Das kommt heute nicht mehr so häufig vor. Sie ist vorsichtiger und argwöhnischer gegenüber Fremden. Das liegt an den Geschehnissen vor drei Jahren. Sie schenkt Fremden kein Lächeln und Bettlern kein Geld mehr und bietet Menschen, die sich verirrt haben, auch nicht mehr an, ihnen den Weg zu zeigen.
Emma ist wieder eingeschlafen. Ich klemme ihre Stoffelefanten an das Gitter ihres Bettchens und schließe leise die Tür.
»Alles in Ordnung?«, fragt Charlies Stimme am anderen Ende des Flurs.
»Alles okay. Sie hatte einen Albtraum. Geh wieder schlafen.«
»Ich muss mal aufs Klo.«
Sie trägt eine weite Schlafanzughose, die tief auf der Hüfte sitzt. Ich hätte nie gedacht, dass sie irgendwann mal richtige Hüften und eine Taille bekommt. Sie war immer ein gerader Strich in der Landschaft.
»Kann ich dich was fragen?« Sie bleibt in der Tür zum Bad stehen.
»Klar.«
»Darcy ist weggelaufen.«
»Ja.«
»Kommt sie zurück?«
»Das hoffe ich.«
»Okay.«
»Was, okay?«
»Nichts. Bloß okay.« Dann: »Warum will Darcy nicht bei ihrer Tante leben?«
»Sie glaubt, sie wäre alt genug, auf sich selbst aufzupassen.«
Charlie lehnt sich nickend an den Türrahmen. Haarsträhnen fallen bogenförmig in ihr Gesicht und verdecken ein Auge. »Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn Mum sterben würde.«
»Niemand stirbt. Sei nicht so makaber.«
Sie ist verschwunden. Ich schleiche auf Zehenspitzen zurück in mein Bett und liege wach. Die Decke scheint weit entfernt. Das Kissen neben mir ist kalt.
Es gibt nichts Neues von Gideon Tyler. Veronica Cray hat ein oder zwei Mal angerufen, um mich auf dem Laufenden zu halten. Gideon ist weder im Wählerverzeichnis eingetragen, noch steht sein Name in einem Telefonbuch. Er hat kein Konto und keine Kreditkarte bei einer britischen Bank. Er hat keinen Arzt und kein Krankenhaus aufgesucht. Er hat keinen Mietvertrag unterzeichnet oder eine Kaution hinterlegt. Mr. Swingler hat die Miete für sechs Monate bar im Voraus erhalten. Manche Menschen gehen vorsichtig durch die Welt, aber Gideon hat kaum einen Fußabdruck hinterlassen.
Sicher wissen wir offenbar nur, dass er 1969 in Liverpool geboren wurde. Sein Vater Eric Tyler ist ein Blechstanzer im Ruhestand und lebt in Bristol. Knochig, zäh und feindselig erklärte er den Polizisten, die ihn befragen wollten, durch den Briefschlitz, sie sollten sich verpissen, und weigerte sich, ohne Durchsuchungsbefehl die Tür zu öffnen. Als er schließlich doch befragt wurde, jammerte er darüber, dass seine Kinder ihn verhungern ließen.
Es gibt einen zweiten, älteren Sohn, der eine kleine Firma für Bürobedarf in Leicester leitet und behauptet, Gideon seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen oder gesprochen zu haben.
Mit achtzehn ging Gideon zur Army. Er diente im ersten Golfkrieg und als Friedenssoldat im Kosovo nach dem Bosnienkrieg. Laut Patrick Fuller wechselte er Mitte der 1990er zum Army Intelligence Corps, dem Nachrichtendienst des Heeres,
und von Bryan Chambers wissen wir, dass er im Defence Intelligence & Security Center in Chicksands in Bedfordshire ausgebildet wurde.
Zunächst war er in Nordirland stationiert und wurde später als Teil der Soforteingreifkräfte der Nato (IRF) nach Osnabrück in Deutschland versetzt. Normalerweise sind britische Soldaten nur vier Jahre im Auslandseinsatz, aber aus irgendeinem Grund ist Gideon länger geblieben. Warum?
Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, was er getan hat und wozu er fähig ist, spüre ich wachsende Panik. Sexuelle Sadisten bleiben nicht ruhig. Sie gehen nicht weg.
Alle seine Handlungen waren mit kühlem Kopf geplant und geradezu euphorisch ausgeführt. Er denkt, er wäre schlauer als die Polizei, das Militär, der Rest der Menschheit. Jedes seiner Verbrechen war ein kleines bisschen perverser und theatralischer als das vorherige. Er ist Künstler, kein Metzger - das will er uns sagen.
Seine nächste Tat wird die schlimmste werden. Gideons Versuch, Maureen Bracken zu ermorden, ist gescheitert, weshalb seinem nächsten Opfer
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