Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Speicherkarte einzusehen. Er dachte, das würde ihn vielleicht zu Helen und Chloe führen. Aus demselben Grund ist er während der Beerdigung in Christine Wheelers Haus eingebrochen und hat die Beileidskarten geöffnet. Er muss gehofft haben, dass Helen
zur Beerdigung kommen oder zumindest eine Karte schicken würde.
Was weiß Gideon, was wir nicht wissen? Leidet er unter Wahnvorstellungen, leugnet er die Realität, oder hat er Informationen, die allen anderen entgangen sind? Was nützt ein Geheimnis, wenn niemand sonst von seiner Existenz weiß?
Ruiz hat den Mercedes in einem Parkhaus hinter den Gerichtsgebäuden geparkt. Er schließt auf, setzt sich ans Steuer und starrt über die Dächer, wo Möwen kreisen wie Zeitungsblätter in einem Aufwind.
»Tyler glaubt, dass seine Frau noch lebt. Ist es möglich, dass er recht hat?«
»Praktisch nein«, antwortet er. »Es gab eine Gerichtsverhandlung zur Feststellung der Todesursache sowie eine seerechtliche Untersuchung.«
»Hast du irgendwelche Kontakte zur griechischen Polizei?«
»Keine.«
Ruiz sitzt mit geschlossenen Augen reglos hinter dem Steuer, als würde er dem trägen Puls seines eigenen Blutes lauschen. Wir wissen beide, was zu tun ist. Wir müssen uns den Untergang der Fähre genauer ansehen. Es muss Zeugenaussagen, eine Passagierliste und Fotos geben … Irgendjemand muss mit Helen und Chloe gesprochen haben.
»Du glaubst Chambers nicht?«
»Es war die eine Hälfte einer traurigen Geschichte.«
»Und wer hat die andere?«
»Gideon Tyler.«
49
Emma ist aufgewacht und wimmert und schnieft, noch in den Fängen eines Traumes. Ich schlüpfe halbwach aus dem Bett und verfluche die Kälte des Bodens und die Steifheit meiner Beine.
Sie hat die Augen fest zugekniffen und dreht den Kopf von einer Seite zur anderen. Ich lege eine Hand auf ihre Brust, die fast ihren gesamten Brustkorb bedeckt. Sie öffnet die Augen. Ich hebe sie hoch und drücke sie an mich. Ihr Herz rast.
»Alles gut, Schätzchen. Es war nur ein Traum.«
»Ich hab ein Monster gesehen.«
»Es gibt keine Monster.«
»Es wollte dich fressen. Es hat deine Arme geesst und eins von deinen Beinen.«
»Mir geht es gut. Siehst du. Zwei Arme. Zwei Beine. Weißt du noch, was ich dir gesagt habe? Es gibt keine Monster.«
»Sie sind bloß in der Fantasie.«
»Ja.«
»Und wenn es zurückkommt?«
»Du musst von etwas anderem träumen. Wie wär’s zum Beispiel, wenn du von deinen Geburtstagspartys träumst, von Toast mit bunten Streuseln und Gummibärchen.«
»Und Marshmallows.«
»Ja.«
»Ich mag Marshmallows. Die rosa, nicht die weißen.«
»Die schmecken alle gleich.«
»Für mich nicht.«
Ich setze sie wieder ab, decke sie zu und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
Julianne ist in Rom. Sie ist am Mittwoch geflogen. Ich habe sie nicht mehr gesehen. Als ich von der Fernwood Clinic nach Hause kam, war sie schon weg.
Gestern Abend habe ich mit ihr telefoniert. Dirk ist an ihr Handy gegangen, als ich anrief. Er meinte, Julianne wäre beschäftigt und würde später zurückrufen. Ich habe eine Stunde gewartet und dann noch mal angerufen. Julianne hat gesagt, sie hätte meine Nachricht nicht bekommen.
»Ihr macht Überstunden«, sage ich.
»Wir sind fast fertig.«
Sie klang müde. Die Italiener hätten neue Forderungen, sagte sie. Sie und Dirk würden den Vertrag komplett neu aufsetzen und noch mal mit den Hauptinvestoren sprechen. Die Details habe ich nicht verstanden.
»Kommst du trotzdem morgen nach Hause?«
»Ja.«
»Willst du immer noch, dass ich mit auf die Party komme?«
»Wenn du möchtest.« Enthusiastische Zustimmung klingt anders. Sie fragte nach den Mädchen, nach Imogen und Ruiz, der gestern zurück nach London gefahren ist. Ich erklärte ihr, dass alles in Ordnung sei.
»Hör mal, ich muss Schluss machen. Gib den beiden Mädchen einen Kuss von mir.«
»Mach ich.«
»Tschüss.«
Julianne legte als Erste auf. Ich saß da, den Hörer in der Hand, und lauschte, als ob etwas an der Stille mir versichern würde, dass in der Tat alles in Ordnung war, sie morgen nach Hause kommen und dann mit mir ein wundervolles Wochenende in London verbringen würde. Aber es fühlte sich nicht so an. Ich malte mir aus, dass Dirk ein Hotelzimmer mit ihr teilte, Anrufe auf ihrem Handy entgegennahm und beim Zimmerservice ein Frühstück für zwei bestellte. Solche Gedanken hatte ich nie zuvor, ich habe nie Zweifel gehabt oder gegrübelt; und jetzt weiß ich nicht, ob ich paranoid bin (weil
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