Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
schwarzen Linien bedeckt ist, die sich überlappende Dreiecke bilden. Der letzte Anruf von Gideon Tyler kam vom Temple Circus im Zentrum von Bristol. Die Polizei sichtet die Aufnahmen der Überwachungskameras,
um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit dem Anruf ein bestimmtes Fahrzeug identifizieren kann.
Das in Charlies Zimmer versteckte Handy ist am Freitag in einem Laden für Bootsbedarf in Princes Wharf abhandengekommen. Das Mobiltelefon, mit dem Gideon angerufen hat, konnte zu einem Telefonladen in Chiswick in London zurückverfolgt werden. Name und Adresse des Käufers sind die eines Studenten in einer Wohngemeinschaft in Bristol. Als Identitätsnachweis wurden eine Gasrechnung und eine Kreditkartenabrechnung (beide gestohlen) vorgelegt.
Ich studiere die Karte und versuche, die Legende zu begreifen und die Bedeutung der roten, grünen und schwarzen Stecknadeln zu verstehen. Es ist, als würde man ein neues Alphabet lernen.
»Das Bild ist noch nicht vollständig«, sagt der Lieutenant, »aber wir konnten die meisten Anrufe zurückverfolgen.«
Er erklärt, dass die farbigen Stecknadeln Gideon Tylers Anrufe sowie die Sendemasten markieren, die dem jeweiligen Signal am nächsten lagen. Die Dauer jedes Telefonats wurde zusammen mit dem Zeitpunkt und der Stärke des Signals protokolliert. Gideon hat kein Handy öfter als ein halbes Dutzend Mal benutzt und nie vom selben Standort aus angerufen. In fast jedem Fall wurde das Handy erst kurz vor dem Anruf einund anschließend sofort wieder ausgeschaltet.
Oliver führt mich, beginnend mit Christine Wheelers Verschwinden, durch die Chronologie. Mithilfe der Signale kann man Gideon Tyler in Leigh Woods und unweit der Clifton Suspension Bridge verorten, als sie gesprungen ist. Desgleichen war er in etwa hundert Metern Entfernung von Sylvia Furness, als sie mit Handschellen an einen Baum gekettet starb, sowie von Maureen Bracken, als sie eine Pistole auf mich richtete.
Ich betrachte die Karte nochmals und spüre, wie aus dem Papier eine konkrete Landschaft hervortritt. Unter den überwiegend roten, grünen und blauen Stecknadeln sticht eine weiße hervor.
»Was hat die zu bedeuten?«, frage ich.
»Das ist eine Anomalie«, erklärt Oliver.
»Eine Anomalie?«
»Es war kein Anruf. Das Mobiltelefon hat sich bei einem Sendemast angemeldet und sofort wieder ausgeschaltet.«
»Warum?«
»Vielleicht hat er sein Telefon eingeschaltet und es sich dann anders überlegt.«
»Oder es handelt sich um einen Irrtum«, schlägt der Lieutenant vor.
Oliver sieht ihn gereizt an. »Nach meiner Erfahrung passieren Irrtümer meistens aus einem Grund.«
Ich streiche mit den Fingerspitzen über die Stecknadelköpfe, als würde ich eine Blindenschrift lesen. Auf der weißen Stecknadel verharre ich.
»Wie lange war das Handy eingeschaltet?«
»Nicht länger als vierzehn Sekunden«, sagt Oliver. »Das digitale Signal wird alle sieben Sekunden gesendet. Der markierte Mast hat es nur zwei Mal aufgefangen.«
Irrtümer und Anomalien sind der Fluch jedes Verhaltensforschers und Kognitionspsychologen. Wir suchen nach Mustern in den Daten, die unsere Theorie stützen, weshalb Anomalien so verheerend sind und weshalb unsere Theorien mit Glück gerade lange genug halten, bis eine bessere vorbeikommt.
Gideon war so sorgfältig darauf bedacht, keine digitalen oder sonstigen Spuren zu hinterlassen. Er hat kaum einen Fehler gemacht, von dem wir wissen. Patricks Schwester hat mit Christine Wheelers Handy eine Pizza bestellt - das ist der einzige, an den ich mich erinnern kann. Vielleicht war dies ein weiterer.
»Können Sie den Ausgangspunkt des Anrufs lokalisieren?«, frage ich.
Oliver hat seine Brille hochgeschoben und den Kopf in den Nacken gelegt, um mein ganzes Gesicht ins Blickfeld zu bekommen.
»Ich nehme an, das Signal könnte auch von anderen Masten empfangen worden sein.«
Der Lieutenant sieht ihn ungläubig an. »Das Telefon war nur vierzehn Sekunden lang eingeschaltet. Das ist, als wollte man einen Furz in einem Wirbelsturm aufspüren.«
Oliver zieht die Augenbrauen hoch. »Was für eine blumige Metapher! Muss ich annehmen, dass die Armee diesem Job nicht gewachsen ist?«
Lieutenant Greene merkt, dass er herausgefordert wird, was er als leichte Beleidigung empfindet, weil er Oliver offensichtlich für einen kinnlosen, blassen, schlaffen Eierkopf hält, dessen Hände sich selbst in der eigenen Hosentasche verirren würden.
Ich versuche, die Spannung zu lösen. »Erklären Sie
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