Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
und uns sinnlos besaufen. Dann würden wir nach Hause torkeln, Sky Sports einschalten und irgendein obskures kanadisches Eishockeyspiel oder diese seltsame Sportart gucken, bei der man auf Skiern durch die Landschaft läuft und zwischendurch auf Zielscheiben schießt. Männer machen so was. Alkohol ist kein Ersatz für Tränen. Er nährt sie von innen, wo sie weniger öffentlich sind und keine Taschentücher feucht werden.
Mädchen im Teenageralter sind komplizierter. Das weiß ich aus meiner psychologischen Praxis. Sie sind eher geneigt, zu grübeln, nicht zu essen, depressiv oder verworren zu werden. Darcy ist ein einzigartiges Geschöpf. Sie plappert nicht wie Emma und Charlie. Sie benimmt sich so erwachsen; sie ist schlagfertig, schlau und keck, aber hinter all der gespielten Tapferkeit verbirgt sich ein verletztes Kind, das weniger über die Welt weiß als eine Blinde in einer Kunstgalerie.
Sobald das Geschirr weggeräumt war, ist sie in das Gästezimmer gegangen. Vor ein paar Minuten habe ich mein Ohr an die lackierte Holztür gelegt, und mir war, als hätte ich sie weinen hören, aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.
Was soll ich machen? Ich kann wegen des Todes ihrer Mutter nicht ermitteln. Vielleicht hat DI Cray recht, und niemand wird die Wahrheit je erfahren.
Ich sitze im Arbeitszimmer, öffne die Hände und betrachte sie. Meine linke Hand zittert unkontrolliert, aber ich will heute nicht noch mehr Tabletten nehmen. Meine Dosis ist ohnehin
schon zu hoch, und die Wirkung der Medikamente nimmt mit jedem Mal ab. Vincent Ruiz’ Visitenkarte liegt vor mir auf der Schreibtischunterlage.
Ruiz ist ehemaliger Detective Inspector der London Metropolitan Police. Vor fünf Jahren hat er mich wegen Mordverdachts verhaftet, nachdem man eine frühere Patientin von mir am Ufer des Grand Union Canal erstochen aufgefunden hatte. Mein Name stand in ihrem Terminkalender. Es ist eine lange Geschichte. Bezeichnen wir sie als vergangen.
Seither ist Ruiz eine dieser Randfiguren geblieben, die in meinem Leben auftauchen und wieder verschwinden und das Grau ein wenig heller machen. Vor seiner Pensionierung hat er sich regelmäßig zum Abendessen eingeladen, mit Julianne geflirtet und mein Fachwissen für seine laufenden Mordermittlungen angezapft. Er hat die Mädchen gekitzelt, zu viel Wein getrunken und dann die Nacht auf dem Sofa verbracht.
Julianne hat eine Schwäche für Ruiz, die größer ist als die Leber dieses Mannes, was sowohl etwas über seine Trinkgewohnheiten als auch über ihr Talent sagt, Streuner anzuziehen.
Erst im dritten Anlauf schaffe ich es, Ruiz’ Nummer einzutippen. Ich höre ein Freizeichen.
»Hallo, Vincent.«
»He, he, wenn das nicht mein Lieblingsseelenklempner ist.«
Er hat eine Stimme, die zu seinem Körper passt, innerlich hart und äußerlich weich und schwabbelig - Kieselsteine in einer Schleimhülle.
»Ich hab dich neulich abends in einer dieser Reality-Shows im Fernsehen gesehen«, sagt er. »Ich glaube, News at Ten hieß sie. Du hast eine Frau von einer Brücke geschubst.«
»Sie ist gesprungen.«
»Echt?« Er lacht. »Kein Wunder, dass du so viele Titel vor deinem Namen hast. Wie geht es deiner hinreißenden Frau?«
»Sie ist in Moskau.«
»Allein?«
»Mit ihrem Boss.«
»Warum kann ich nicht ihr Boss sein?«
»Weil du keine Ahnung von Investmentbanking hast und bei dem Begriff Expandieren wahrscheinlich zuerst daran denkst, dir deine Hose beim nächsten Mal eine Nummer weiter zu kaufen.«
»Das ist hart, aber wahr.«
Ich höre Eiswürfel in einem Glas klimpern.
»Hast du Lust, ein paar Tage in den Westen zu kommen?«
»Nö. Ich bin allergisch gegen Schafe.«
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Sag doch gleich, was du meinst, Baby.«
Ich erzähle ihm von Christine Wheeler und beschreibe die letzten zwölf Stunden in Stichpunkten, wie sie für Expolizisten fast zur zweiten Sprache geworden sind. Ruiz weiß die Lücken zu füllen. Ohne dass ich DI Cray erwähnt habe, sagt er ihre Reaktion auf meine Bitte präzise voraus.
»Bist du dir deiner Sache sicher?«
»So sicher, wie ich es im Augenblick sein kann.«
»Was brauchst du?«
»Vor ihrem Sturz hat Christine Wheeler per Handy mit jemandem telefoniert. Ist es möglich, den Anruf zurückzuverfolgen?«
»Hat man das Handy gefunden?«
»Auf dem Grund des Avon.«
»Kennst du die Telefonnummer der Lady?«
»Darcy kennt sie.«
Er schweigt eine Weile. »Ich kenne jemanden, der für British Telecom
Weitere Kostenlose Bücher