Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
gefunden. Er sagte, er könne mich hören, weil ich mich zu sehr anstrengte , keinen Mucks zu machen.
Ein Schatten huscht an der Tür vorbei. Ich sehe die Schlampe
in dem geneigten Spiegel. Sie geht auf die Toilette. Ihr Rock ist hochgeschoben, ihre Strumpfhose nach unten gerollt. Ihre Oberschenkel sind blass wie Kerzenwachs. Sie steht auf, betätigt die Spülung und dreht eine Pirouette zum Waschbecken, um sich im Spiegel zu betrachten. Sie zerrt an der Haut um ihre Augen und redet mit sich selbst. Ich kann nicht hören, was sie sagt. Sie wirft die Strumpfhose beiseite, hebt die Arme und lässt ein Nachthemd über ihre Schulter gleiten. Der Saum fällt bis zu ihren Knien.
Ihre Tochter ist in ihr Zimmer gegangen. Ich höre, wie eine Schultasche in die Ecke geworfen wird, bevor die Dusche läuft. Später kommt sie, um gute Nacht zu sagen. Küsschen in die Luft, eine Hand, die durch zerzaustes Haar streicht. Träum süß.
Ich bin allein mit der Schlampe. Es ist kein Mann im Haus. Er ist vertrieben worden, verstoßen, abgelegt, entrechtet; der König ist tot, lang lebe die Königin!
Sie hat den Fernseher angemacht und zappt sich im Bett liegend von Sender zu Sender, der Widerschein des Bildschirms erscheint als helles Rechteck in ihren Augen. Sie sieht gar nicht richtig hin, sondern greift stattdessen zu einem Buch. Spürt sie, dass ich da bin? Ein ahnungsvolles Schaudern oder Unbehagen wie bei einem Gespenst, das Fußspuren auf ihrem Grab hinterlässt?
Es ist meine Stimme, die sie hören wird, wenn sie stirbt. Meine Worte. Ich werde sie fragen, ob sie Angst hat. Ich werde ihre Seele aufbrechen. Ich werde ihr Herz stillstehen lassen. Ich werde sie am Boden zerschmettern und mich an ihrem blutigen Mund laben.
Wann?
Bald.
12
Heute Morgen wollen sich meine Beine nicht bewegen. Es bedarf strenger Worte und starker Willenskraft, um sie aus dem Bett zu hieven. Ich stehe auf und ziehe einen Bademantel an. Es ist schon nach sieben. Charlie müsste mittlerweile aufgestanden sein. Sie kommt zu spät zur Schule. Ich rufe nach ihr. Niemand antwortet.
Die Kinderzimmer sind leer. Ich gehe nach unten. Auf dem Küchentisch stehen zwei frisch benutzte Müslischalen. Keiner hat die Milch zurück in den Kühlschrank gestellt.
Das Telefon klingelt. Es ist Julianne.
»Hallo.«
Einen Moment herrscht Schweigen.
»Hi. Wie geht es dir?«
»Gut. Wie ist Rom?«
»Ich bin in Moskau. Rom war letzte Woche.«
»Ah, stimmt.«
»Alles okay bei dir?«
»Alles gut. Ich bin gerade aufgewacht.«
»Wie geht es meinen wunderschönen Mädchen?«
»Ausgezeichnet.«
»Wie kommt es, dass sie, wenn ich da bin, absolut scheußlich sein können, aber bei dir immer so gut gelaunt sind?«
»Ich besteche sie.«
»Stimmt. Hast du ein Kindermädchen gefunden?«
»Noch nicht.«
»Was ist passiert?«
»Ich führe immer noch Gespräche mit Bewerberinnen. Ich suche nach Mutter Teresa.«
»Du weißt, dass die tot ist.«
»Wir wär’s mit der Schauspielerin Scarlett Johansson?«
»Scarlett Johansson wird nicht auf unsere Kinder aufpassen.«
»Und wer ist jetzt wählerisch?«
Sie lacht. »Kann ich mit Emma sprechen?«
»Die ist gerade nicht hier.«
»Wo ist sie denn?«
Ich blicke zu der offenen Tür und höre das Rascheln meines eigenen Atems in der Sprechmuschel. »Im Garten.«
»Dann hat es wohl aufgehört zu regnen.«
»Hmhm. Wie ist die Reise?«
»Anstrengend. Die Russen halten uns hin. Sie wollen einen besseren Deal.«
Ich stehe am Waschbecken und gucke aus dem Fenster. Die untere Hälfte der Scheiben ist beschlagen, die obere rahmt einen blauen Himmel.
»Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragt sie. »Du klingst sehr seltsam.«
»Mit geht es gut. Ich vermisse dich.«
»Ich vermisse dich auch. Ich muss Schluss machen. Tschüss.«
»Tschüss.«
Ich höre ein Klicken. Wie auf ein Stichwort kommt in diesem Moment Emma durch die Hintertür gehüpft, gefolgt von Darcy. Das Mädchen schnappt sich die Kleine und drückt sie fest an sich. Beide lachen.
Darcy trägt ein Kleid von Julianne. Sie muss es im Bügelkorb gefunden haben. Im Gegenlicht zeichnet sich ihr Körper unter dem Stoff ab. Teenager spüren die Kälte nicht.
»Wo seid ihr gewesen?«
»Wir waren spazieren«, sagt sie abwehrend. Emma streckt die Arme zu mir aus, und ich hebe sie hoch.
»Wo ist Charlie?«
»Auf dem Weg zur Schule. Ich habe sie zur Bushaltestelle gebracht.«
»Du hättest mir Bescheid sagen müssen.«
»Sie haben geschlafen.« Sie gibt
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