Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Tatorts zu bewahren«.
»Wonach genau suchen wir?«, fragt einer der Auszubildenden.
»Nach Beweisen, mein Junge, wir suchen nach Beweisen.«
»Beweisen wofür?«
»Die Vergangenheit.« Er streicht die Plastikhandschuhe über seinen Handflächen glatt. »Es mag erst fünf Tage her sein, aber es ist dennoch Vergangenheit.«
Draußen wird es dunkel und kälter. Detective Inspector Veronica Cray steht im Tor der Garage, einem schwarzen Backsteinbogen unter der Eisenbahnüberführung. Ein Zug rattert über ihrem Kopf.
Sie zündet sich eine Zigarette an und schiebt das abgebrannte Streichholz hinter die anderen in dem Briefchen. Dadurch entsteht eine nachdenkliche Pause, in der sie ihrem Stellvertreter Anweisungen gibt.
»Ich will wissen, wie viele Leute den Wagen angefasst haben, seit er gefunden wurde. Ich möchte, dass jedem von ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden, die wir mit den Abdrücken im Wagen abgleichen können.«
Der Sergeant trägt eine Stahlbrille und einen Bürstenschnitt. »Was genau untersuchen wir eigentlich, Boss?«
»Einen verdächtigen Todesfall. Das Haus der Wheeler ist
ebenfalls Tatort. Ich will, dass es versiegelt und bewacht wird. Außerdem könnten Sie schon mal einen guten indischen Imbiss in der Gegend suchen.«
»Haben Sie Hunger, Boss?«
»Ich nicht, Sergeant, aber Sie werden die ganze Nacht hier verbringen.«
Ruiz sitzt mit geschlossenen Augen in seinem Mercedes. Ich frage mich, ob es ihm schwerfällt, in Fällen wie diesem als Rentner anderen den Vortritt zu lassen. Bestimmt erwachen alte Instinkte in ihm, ein Bedürfnis, das Verbrechen zu lösen und die Ordnung wiederherzustellen. Er hat mir einmal erklärt, das Geheimnis bei der Lösung eines Gewaltverbrechens sei es, sich auf den Verdächtigen zu konzentrieren und nicht auf das Opfer. Ich arbeite genau umgekehrt. Indem ich mit dem Opfer vertraut bin, weiß ich über den Verdächtigen Bescheid.
Ein Mörder geht nicht immer gleich vor. Umstände und Ereignisse beeinflussen seine Tat. Ebenso das Opfer. Wie hat sie unter Druck reagiert? Was hat sie gesagt?
Christine Wheeler scheint mir nicht der Typ gewesen zu sein, der besonders aufreizend aufgetreten ist oder durch ihr Aussehen oder ihre Art Aufsehen erregt hat. Sie kleidete sich konservativ, ging selten aus und war eher zurückhaltend. Verschiedene Frauen repräsentieren einen unterschiedlichen Grad von Verletzlichkeit und Risiko. Das alles muss ich wissen. Indem ich Christine kennenlerne, komme ich auch ihrem Mörder einen Schritt näher.
DI Cray steht jetzt neben mir und starrt in eine Ölwanne.
»Sagen Sie, Professor, verschaffen Sie sich eigentlich regelmäßig Zugang zu Polizeigaragen und zerstören wichtige Beweismittel?«
»Nein, Detective Inspector.«
Sie bläst Qualm aus, schnaubt zwei Mal und blickt auf den Vorhof, wo Ruiz vor sich hin döst.
»Wer ist Ihr Tanzpartner?«
»Vincent Ruiz.«
Sie blinzelt. »Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«
»Keineswegs.«
»Woher zum Teufel kennen Sie Vincent Ruiz?«
»Er hat mich mal verhaftet.«
»Ich verstehe, dass das ein verlockender Gedanke sein könnte.«
Sie hat den Blick nicht von Ruiz gewandt.
»Sie konnten es nicht auf sich beruhen lassen.«
»Es war kein Selbstmord.«
»Wir haben sie beide springen sehen.«
»Sie hat es nicht aus eigenem Antrieb getan.«
»Ich habe keinen gesehen, der ihr eine Pistole an den Kopf gehalten hat, niemanden, der sie gestoßen hat.«
»Eine Frau wie Christine Wheeler beschließt nicht plötzlich, sich nackt auszuziehen und mit einem Schild, auf dem ›Hilfe‹ steht, aus der Tür zu spazieren.«
DI Cray unterdrückt einen Rülpser, als wäre ihr irgendetwas, was ich gesagt habe, sauer aufgestoßen. »Okay, nehmen wir einen Moment an, dass Sie recht haben. Wenn Mrs. Wheeler bedroht wurde, warum hat sie dann nicht jemanden angerufen oder ist zur nächsten Polizeiwache gefahren?«
»Vielleicht konnte sie das nicht.«
»Glauben Sie, dass er mit ihr im Auto war?«
»Als sie das Schild hochgehalten hat, wohl nicht.«
»Das heißt, er hat zugehört.«
»Ja.«
»Und vermutlich hat er sie in den Tod gequatscht?«
Ich antworte nicht. Ruiz ist aus seinem Mercedes gestiegen, streckt seine Glieder und lässt seine Schultern träge kreisen. Er kommt zu uns, und die beiden mustern sich wie zwei Hähne im Hühnerstall.
»DI Cray, das ist Vincent Ruiz.«
»Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, sagt sie und schüttelt ihm die Hand.
»Glauben Sie kein Wort
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