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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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gehört. Ich schlage das Telefon wieder und wieder auf meine Hand.
    »Bitte tun Sie ihr nichts«, schluchzt sie. »Ich komme.«
    »Alice ist so ein süßes Ding. Ich habe ihre Tränen gekostet. Sie schmecken wie Zuckerwasser. Hatte sie schon ihre Regel?«
    »Sie ist erst elf.«
    »Ich kann sie zum Bluten bringen. Ich kann sie aus Stellen bluten lassen, die du dir nicht einmal vorstellen kannst.«
    »Nein, ich komme. Wo ist Alice?«
    »Sie wartet auf dich.«
    »Lassen Sie mich mit ihr reden.«
    »Sie kann dich hören.«
    »Ich liebe dich, Baby.«
    »Wie sehr liebst du sie? Wirst du ihren Platz einnehmen?«
    »Ja.«
    »Komm zu mir, Sylvia. Sie wartet. Komm und hol sie nach Hause.«

24
    Der Baum ist ein Riese mit weit ausgestreckten Armen. An einem Ast hängt ein lebloser weißer Körper. Nicht weiß. Nackt. Mit Kapuze.
    Hinter den Ästen taucht auf der anderen Seite des Tals nach und nach eine monochrome Landschaft aus der Dunkelheit auf. Felder, unterteilt durch Hecken und Flecken mit immergrünem Gestrüpp. Gewundene Reihen von Buchen, die den Flussläufen folgen. Noch ist die Sonne nicht am kränklich dunkelviolett gefärbten Himmel zu sehen. Primeln, Schlüsselblumen und Narzissen sind noch unter der Erde. Farben könnte es auch gar nicht geben.
    Das breite Stahltor ist mit blauweißem Polizeiband abgesperrt. Um eine nahe liegende Scheune herum sind Scheinwerfer aufgebaut. Das verwitterte Holz wirkt wie weiß getüncht von all dem Licht.
    Die Zufahrt zum Bauernhof ist ebenfalls abgesperrt worden. Von Reifenspuren werden Fotos und Gipsabdrücke gemacht. Die Zufahrt mündet in eine schmale Straße, die in beiden Richtungen durch Polizeifahrzeuge blockiert ist.
    Die Polizei hat eine provisorische Sperre eingerichtet. Ich muss einem Constable mit einem Klemmbrett meinen Namen nennen. Dann stapfe ich, die Pfützen meidend, weiter den Weg hinunter bis zu der Scheune, von wo aus ich über ein gepflügtes Feld hinweg die Stelle sehen kann, wo die Leiche hängt.
    Den Rest der Strecke bis zu dem gut zwanzig Meter entfernten Baum lege ich über Laufbretter zurück. Die Scharen eines Pfluges haben die Umrisse einer Träne um seinen Stamm gezogen. Die gefurchte Erde ist mit Reif überzuckert.

    Veronica Cray steht wie ein Henker neben der Leiche. Eine nackte Frau, die an einer Hand mit Handschellen an einen Ast gefesselt ist. Das Handgelenk unter dem geschlossenen Metallring ist wund und blutig. Ein weißer Kopfkissenbezug, der sich auf ihren Schultern bauscht, verhüllt ihren Kopf. Ihre Zehen berühren gerade eben den Boden.
    Zu ihren Füßen liegt ein Handy. Der Akku ist leer. Sie trägt kniehohe Lederstiefel. Ein Absatz ist abgebrochen, der andere steckt im Schlamm. Ein Blitzlicht flackert in kurzen Abständen auf, sodass es aussieht, als würde sich die Leiche wie eine Puppe in einer Animation bewegen.
    Derselbe Pathologe, der schon Christine Wheelers Auto in der Polizeigarage untersucht hat, ist bereits bei der Arbeit und gibt den Fotografen Anweisungen. Zumindest für die nächsten paar Stunden dient der Tatort der Beweissicherstellung.
    Ruiz ist auch schon da und reibt sich gegen die Kälte über die Arme. Ich habe ihn im Pub geweckt und gesagt, er solle mich hier treffen.
    »Du hast mich in einem tollen Traum gestört«, meinte er. »Ich war mit deiner Frau im Bett.«
    »War ich auch dabei?«
    »Wenn ich je davon träumen sollte, können wir keine Freunde mehr sein.«
    Wir hören beide zu, wie der Pathologe Veronica Cray einen ersten vorläufigen Bericht erstattet. Die noch nicht amtliche Todesursache ist Erfrieren.
    »Die Hypostase deutet darauf hin, dass sie hier gestorben ist. Aufrecht stehend. Es gibt keine Spuren sexueller Gewalt oder Anzeichen, dass sie sich gewehrt hat. Aber dazu kann ich Ihnen mehr sagen, wenn ich sie im Labor habe.«
    »Was ist mit der Todeszeit?«, fragt sie.
    »Die Totenstarre hat bereits eingesetzt. Normalerweise kühlt eine Leiche ein Grad pro Stunde ab, aber gestern Nacht hatten wir Temperaturen unter null. Sie könnte seit zwölf Stunden tot sein, vielleicht auch länger.«

    Der Pathologe kritzelt seine Unterschrift auf ein Klemmbrett und kehrt zu seinen Leuten zurück. DI Cray macht mir ein Zeichen, ihr zu folgen. Wir gehen über die Bretter zum Baum.
    Heute habe ich meinen Gehstock dabei, ein Indiz, dass die Wirkung der Medikamente nachlässt. Es ist ein schöner Stock aus poliertem Walnussholz mit einer Stahlspitze. Inzwischen ist es mir nicht mehr ganz so peinlich, ihn zu benutzen.

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