Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
füllt. Sein Kinn sackt auf seine Brust, und sein Blick richtet sich auf den Fernseher, sein Lebenserhaltungssystem.
»Guckst du dir das Spiel an, Pop?«, frage ich.
»Welches?«
»Everton gegen Liverpool.«
Er schüttelt den Kopf.
»Ich hab dir extra Kabel gekauft, damit du die großen Spiele sehen kannst.«
Er grunzt. »Man sollte nicht dafür bezahlen müssen, Fußball zu gucken. Es ist, als würde man für sein Trinkwasser bezahlen. Das mach ich nicht.«
»Ich bezahle.«
»Das spielt keine Rolle.«
Der Bildschirm ist der einzige farbige Punkt im Zimmer. Er spiegelt sich als buntes Rechteck in seinen Augen wider.
»Gehst du nachher noch weg?«
»Nö.«
»Ich dachte, du wolltest zum Bingo.«
»Ich spiel kein Bingo mehr. Diese falschen Fotzen haben gesagt, ich dürfe nicht mehr kommen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich sie beim Tricksen erwischt habe.«
»Wie kann man denn beim Bingo tricksen?«
»Jedes verdammte Mal fehlt mir eine beschissene Zahl. Nur eine Zahl. Falsche Fotzen.«
Ich habe immer noch eine Tüte mit Lebensmitteln in der Hand. Ich trage sie in die Küche und biete ihm an, etwas zu kochen. Ich habe eine Dose Schinken, Baked Beans und Eier gekauft.
Im Spülbecken stapelt sich dreckiges Geschirr. Eine Kakerlake erklimmt den Rand einer Tasse und sieht mich an wie einen unbefugten Eindringling. Sie huscht eilig davon, als ich die Essensreste von den Tellern in einen Treteimer kratze und
den Wasserhahn aufdrehe. Rumpelnd springt die Gastherme an.
»Du hättest die Army nie verlassen dürfen«, ruft er. »Die Army ist wie eine Familie.«
Ja, klar, tolle Familie!
Er redet irgendeinen Mist über Kumpel und Kameradschaft, obwohl er in Wahrheit nie im Krieg gekämpft hat. Den Falkland-Krieg hat er verpasst, weil er nicht schwimmen konnte.
Ich lächle still vor mich hin. Das stimmt nicht ganz. Er war medizinisch untauglich. Er hat sich eine Hand im Verschluss einer 155-Millimeter-Kanone eingeklemmt und fast alle Finger gebrochen. Darüber ist der alte Sack immer noch verbittert. Weiß der Himmel, warum. Welcher halbwegs normale Mensch wünscht sich, in einem Krieg um ein paar öde Felsen im Südatlantik mitgekämpft zu haben?
Er jammert weiter und übertönt dabei sogar den Fernseher.
»Das ist das Problem mit den Soldaten heutzutage. Sie sind zu weich, verwöhnt. Samthandschuhe, Federkissen, Luxusfraß …«
Ich brate mehrere Scheiben Schinken und schlage darüber die Eier auf. Die Bohnen in der Mikrowelle aufzuwärmen geht schnell.
Pop wechselt das Thema. »Wie geht es meiner Enkeltochter?«
»Gut.«
»Wieso bringst du sie nie mit?«
»Sie lebt nicht bei mir, Pop.«
»Ja, aber der Richter hat dir doch -«
»Was der Richter gesagt hat, spielt keine Rolle. Sie lebt nicht bei mir.«
»Aber du siehst sie doch, oder? Du sprichst mit ihr.«
»Ja, klar«, lüge ich.
»Und warum bringst du sie dann nicht mal mit? Ich will sie sehen.«
Ich blicke mich in der Küche um. »Sie mag nicht hierherkommen.«
»Warum nicht?«
»Weiß nicht.«
Er grunzt.
»Sie geht inzwischen wahrscheinlich zur Schule.«
»Ja.«
»Auf welche Schule?«
Ich antworte nicht.
»Bestimmt auf irgend so eine schicke Privatschule wie ihre Mutter. Sie war immer zu gut für jemanden wie dich. Ihren Vater konnte ich nie leiden. Als ob seine Scheiße nicht stinken würde. Hat jedes Jahr einen anderen Wagen gefahren.«
»Das waren Firmenwagen.«
»Na, jedenfalls hat er auf dich herabgesehen.«
»Hat er nicht.«
»Und ob. Wir waren nicht sein Kaliber. Golfclub, Skiurlaub … Hat die ganze piekfeine Hochzeit bezahlt.« Er hält inne und wird dann ganz aufgeregt. »Vielleicht solltest du Unterhalt fordern. Sie vor Gericht zerren. Deinen Anteil einklagen.«
»Ich will ihr Geld nicht.«
»Dann gib es mir.«
»Nein.«
»Warum nicht? Mir steht auch irgendwas zu.«
»Ich hab dir diese Wohnung gekauft.«
»Ja, ein verdammter Palast.«
Er kommt in die Küche geschlurft und setzt sich. Ich serviere ihm das Essen. Er ertränkt alles in brauner Sauce. Sagt nicht Danke, wartet nicht auf mich.
Ich frage mich, ob er beim Blick in den Spiegel das Gleiche sieht wie die anderen Menschen: eine nutzlose Blase voller Pisse und Blähungen. Das sehe ich. Der Mann hat kein Recht, mir Vorträge zu halten. Er ist eine unflätige, winselnde Schmierspur auf der Welt, und manchmal wünsche ich, er würde einfach sterben oder wenigstens abrechnen.
Ich weiß nicht, warum ich mir die Mühe mache, ihn zu besuchen. Wenn ich mich daran
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