Deine Juliet
erfinde auch arbeitssparende Geräte – das neueste ist eine elektrische Wäscheklammer, die die Wäsche sanft im Wind bewegt und so die Handgelenke der Wäscherin schont.
Ob ich beim Lesen Trost gefunden habe? Ja, aber nicht gleich zu Anfang. Erst bin ich bloß hingegangen und habe in einer Ecke in Ruhe meinen Auflauf gegessen. Dann hat Isola mir klipp und klar gesagt, ich muss ein Buch lesen und darüber sprechen wie alle anderen auch. Sie gab mir das Buch
Einst und Jetzt
von Thomas Carlyle. Es war so weitschweifig, dass es mir stechende Kopfschmerzen bereitet hat, bis ich auf die Religion stieß.
Ich bin kein frommer Mann, aber nicht, weil ich mich nicht bemüht hätte. Wie eine Biene von Blüte zu Blüte fliegt, bin ich von Kirche zu Kirche gegangen. Aber ich habe nie richtig begriffen, was es mit dem Glauben auf sich hat – bis Mr. Carlyle mir die Religion auf andere Weise nahebrachte. Er ist einmal zwischen den Ruinen der Abtei von Bury St. Edmunds spazieren gegangen, als ihm ein Gedanke kam, den er aufgeschrieben hat:
Kommt es nie in deinen Sinn, dass die Menschen damals eine Seele hatten – nicht nur vom Hörensagen und als Redewendung, sondern als eine bewusste Wahrheit, nach der sie lebten? Wahrlich, damals war es eine andere Welt! … Aber trotzdem ist es schade, dass wir jene Kunde von unsren Seelen verloren haben – wir werden wirklich gehn müssen, um sie wieder zu suchen, oder es wird uns durchgehendes Ärgernis widerfahren
.
Ist das nicht verrückt – die Seele vom Hörensagen kennen und dass wir die Kunde von unseren Seelen verloren haben? Warum soll ich mir von einem Priester sagen lassen, ob ich eine Seele habe oder nicht? Wenn ich selbst glauben konnte, dass ich eine Seele habe, dann konnte ich auch selbst auf sie hören.
Ich habe meine Rede im Club über Mr. Carlyle gehalten und damit einen hitzigen Streit über die Seele ausgelöst. Ja? Nein? Vielleicht? Dr. Stubbins hat am lautesten gebrüllt, und bald haben alle aufgehört zu streiten und ihm zugehört.
Thompson Stubbins ist jemand, der viel und tief nachdenkt. Er war Psychiater in London, bis er 1934 bei dem jährlichen Abendessen der Gesellschaft der Freunde Sigmund Freuds Amok lief. Er hat mir einmal die ganze Geschichte erzählt. Die Freunde waren große Redner, und ihre Vorträge dauerten Stunden – und so lange blieben die Teller leer. Endlich wurde aufgetischt, und Schweigen senkte sich über den Saal, als die Psychiater sich ihre Koteletts einverleibten. Thompson sah seine Gelegenheit gekommen: Er klopfte mit dem Löffel ans Glas und brüllte aus Leibeskräften, um sich Gehör zu verschaffen.
«Hat schon mal jemand von Ihnen daran gedacht, dass ungefähr zur gleichen Zeit, als der Begriff SEELE sich erschöpfte, Freud mit dem ICH zur Stelle war, um ihn zu ersetzen? Der Mann hat wahrlich den passenden Zeitpunkt gewählt! Hat er nicht innegehalten, um nachzudenken? Verantwortungsloser alter Trottel! Ich glaube, die Menschen quatschen so viel über das ICH, weil sie fürchten, keine SEELE zu haben! Denken Sie darüber mal nach!»
Thompson blieben die Pforten der Gesellschaft seither für immer verschlossen, und er zog nach Guernsey, um Gemüse anzubauen. Manchmal fährt er mit mir in meinem Wagen herum, und wir unterhalten uns über Gott und die Menschen und alles, was dazwischen ist. Das wäre mir alles entgangen, wenn ich nicht dem Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf beigetreten wäre.
Nun, Miss Ashton, was meinen Sie dazu? Isola meint, Sie sollten nach Guernsey kommen, und wenn Sie es tun, können Sie mit uns in meinem Wagen herumfahren. Ich würde ein Kissen mitbringen.
Bleiben Sie weiterhin gesund und wohlauf.
Mit den besten Wünschen,
Will Thisbee
Mrs. Clara Saussey an Juliet
8. April 1946
Sehr geehrte Miss Ashton,
ich habe von Ihnen gehört. Ich gehörte auch einmal zu diesem Literaturclub, dabei möchte ich wetten, dass keiner von denen Ihnen von mir erzählt hat. Ich habe nicht aus dem Buch eines toten Schriftstellers gelesen, nein, ich las aus einem Werk, das ich selbst geschrieben habe – aus meinem Buch mit Kochrezepten. Ich wage zu behaupten, dass mein Buch mehr Tränen und Kummer hervorgerufen hat als alles, was Charles Dickens geschrieben hat.
Ich habe etwas über die richtige Art, ein Spanferkel zu braten, vorgelesen. Man muss es mit Butter einstreichen, sagte ich. Der Saft muss heruntertropfen und das Feuer zum Zischen bringen. So, wie ich es
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