Deine Juliet
ein gehässiges Weib. Wissen Sie zufällig, warum? Ich vermute, es war eine böse Fee bei ihrer Taufe.
Auf alle Fälle hat mir die Vorstellung, wie Sie im Heu lümmeln und Charles Lamb lesen, sehr gefallen. Ich musste dabei an meine Kindheit in Suffolk denken. Mein Vater war dort Bauer, und ich half auf dem Hof, was sich, zugegeben, darin erschöpfte, dass ich von einem Wagen sprang, das Tor öffnete, es dann schloss und wieder aufsprang, Eier einsammelte, Unkraut jätete und auf das Stroh eindrosch, wenn ich Lust dazu hatte.
Ich weiß noch, wie ich auf dem Heuboden lag und
Der geheime Garten
las, neben mir eine Kuhglocke. Wenn ich eine Stunde gelesen hatte, läutete ich, um mir ein Glas Limonade bringen zu lassen. Mrs. Hutchins, die Köchin, war dieses Übereinkommen schließlich leid und sagte es meiner Mutter. Das war das Ende meiner Kuhglocke, nicht aber meiner Lektüre im Heu.
Mr. Hastings hat die Charles-Lamb-Biographie von E. V.Lucas aufgetrieben. Er beschloss, Ihnen gar nicht erst den Preis zu nennen, sondern Ihnen das Buch sofort zu schicken. Er sagte: «Wer Charles Lamb liebt, soll nicht warten müssen.»
Herzliche Grüße,
Juliet
Susan Scott an Sidney
11. April 1946
Lieber Sidney,
ich bin so verständnisvoll, wie man nur sein kann, aber verflixt nochmal, wenn Du nicht bald wieder hier bist, bekommt Charlie Stephens noch einen Nervenzusammenbruch. Er ist nicht für die Arbeit geschaffen; er ist dafür geschaffen, dicke Geldbündel zu überreichen und Dich die Arbeit machen zu lassen. Er ist gestern doch tatsächlich
vor zehn Uhr
im Büro erschienen, die Anstrengung hat ihn allerdings fast umgebracht. Gegen elf Uhr war er totenbleich, um halb zwölf trank er einen Whiskey. Um zwölf Uhr mittags gab ihm eins der unschuldigen jungen Dinger einen Schutzumschlag zur Begutachtung – ihm traten vor Schreck die Augen aus dem Kopf, und er vollführte wieder diese widerliche Nummer mit seinem Ohr, er wird es sich eines Tages noch ausreißen. Um ein Uhr ging er nach Hause, und heute habe ich ihn noch nicht gesehen (es ist jetzt vier Uhr nachmittags).
Es gibt noch weitere betrübliche Entwicklungen. Harriet Munfries ist komplett verrückt geworden: Sie möchte die gesamte Kinderreihe «farblich einheitlich gestalten». Rosa und rot. Ich nehme Dich nicht auf den Arm. Der Junge in der Postabteilung (ich mache mir nicht mehr die Mühe, mir die Namen zumerken) hat sich betrunken und alle Briefe weggeworfen, die an Leute adressiert waren, deren Name mit S anfing. Frag mich nicht, warum. Miss Tilley war so unglaublich grob zu Kendrick, dass er versucht hat, sie mit ihrem Telefon zu schlagen. Ich kann es ihm nicht verübeln, aber Telefone sind schwer zu bekommen, und wir können keins entbehren. Du musst sie sofort entlassen, wenn Du nach Hause kommst.
Wenn Du noch einen weiteren Anreiz brauchst, um Dir einen Flugschein zu kaufen, kann ich Dir außerdem erzählen, dass ich Juliet und Mark Reynolds neulich abends sehr innig im Café de Paris gesehen habe. Ihr Tisch war hinter der Samtabtrennung, aber von meinem Platz beim gemeinen Volk konnte ich die verräterischen Anzeichen einer Romanze ausmachen – er murmelte ihr irgendwas ins Ohr, ihre Hand verweilte neben den Cocktailgläsern in der seinen, er berührte sie an der Schulter, um auf einen Bekannten hinzuweisen. Ich hielt es für meine Pflicht (als Deine getreue Angestellte), dem ein Ende zu machen, darum schob ich mich an der Abtrennung vorbei, um Juliet guten Tag zu sagen. Sie schien erfreut und forderte mich auf, ihnen Gesellschaft zu leisten, doch Marks Lächeln war deutlich anzumerken, dass er keine Gesellschaft wünschte, deshalb zog ich mich zurück. Mit diesem Mann und seinem schmallippigen Lächeln ist nicht zu spaßen, einerlei, wie schön seine Krawatten sind, und es würde meiner Mutter das Herz brechen, wenn mein lebloser Körper in der Themse gefunden würde.
Mit anderen Worten, besorg Dir einen Rollstuhl, eine Krücke, einen Esel, der Dich zieht, aber komm
sofort
nach Hause.
Deine Susan
Juliet an Sidney und Piers
12. April 1946
Lieber Sidney, lieber Piers,
ich habe in den Londoner Bibliotheken nach Informationen über Guernsey gesucht. Ich habe mir sogar einen Ausweis für den Lesesaal besorgt, was von meinem hingebungsvollen Eifer zeugt – wie Ihr wisst, finde ich den Raum grauenerregend.
Ich habe eine ganze Menge herausgefunden. Erinnert Ihr Euch an eine miserable Buchreihe in den zwanziger Jahren,
A-Tramp in
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