Deine Juliet
nur,
wenn
ich recht habe, dann landen Stephens & Stark den Verlagscoup des Jahres. Es werden wissenschaftliche Arbeiten entstehen, Doktorgrade verliehen werden, und Isola wird von jedem Gelehrten, jeder Universität, jeder Bibliothek und jedem zwielichtigen reichen Privatsammler in der westlichen Hemisphäre belagert werden.
Hier nun die Fakten – gestern Abend sollte Isola bei der Versammlung des Buchclubs eigentlich über
Stolz und Vorurteil
sprechen, aber Ariel hatte unmittelbar vor dem Abendessen ihre Aufzeichnungen gefressen. So griff sie anstelle von Jane eilig nach einigen Briefen, die an ihre liebe Großmama Pheen (das ist eine Abkürzung für Josephine) gerichtet waren. Sie sagte, die Briefe ergäben so etwas wie eine Geschichte.
Sie zog also die in rosa Seidenstoff gewickelten und mit einer Satinschleife zusammengebundenen Briefe aus der Tasche, worauf Will Thisbee ausrief: «Liebesbriefe, das fehlte noch! Enthalten sie Geheimnisse? Intimitäten? Sollen die anwesenden Herren den Raum verlassen?»
Isola sagte, er solle still sein und sich hinsetzen. Die Briefe habe ein sehr netter Mann – ein Fremder – ihrer Großmama Pheen geschrieben, als sie noch ein kleines Mädchen war. Großmama hatte sie in einer Keksdose aufbewahrt und ihr, Isola, oft als Gutenachtgeschichte vorgelesen.
Sidney, es waren acht Briefe, und ich versuche gar nicht erst,Dir ihren Inhalt wiederzugeben – ich würde jämmerlich scheitern.
Wie Isola uns erzählte, hatte Pheens Vater, als sie neun Jahre alt war, ihre Katze namens Muffin ertränkt. Offenbar war sie auf den Tisch gesprungen und hatte an der Butter geschleckt. Das war genug für Pheens rohen Vater – er steckte Muffin in einen Jutesack, beschwerte ihn mit ein paar Steinbrocken, schnürte den Sack zu und warf Muffin ins Meer. Dann erzählte er Pheen, der er auf dem Heimweg von der Schule begegnete, was er getan hatte, und sagte auch noch, es sei gut, dass sie sie los wären.
Danach taumelte er in die Kneipe und ließ Pheen mitten auf der Straße sitzen und sich die Augen aus dem Kopf weinen.
Eine Kutsche, die viel zu schnell unterwegs war, hätte sie um ein Haar überfahren. Der Kutscher fuhr von seinem Sitz hoch und fing an, sie mit Flüchen zu traktieren, doch sein Fahrgast – ein sehr großer, stattlicher Mann in einem dunklen Mantel mit Fellkragen – sprang heraus. Er befahl dem Kutscher zu schweigen, ging zu Pheen und fragte, ob er ihr helfen könne.
Pheen sagte, nein, nein – ihr sei nicht zu helfen. Ihre Katze sei fort! Ihr Papa hätte Muffin ertränkt, und nun sei Muffin tot – und für immer fort.
Der Mann sagte: «Aber nein, Muffin ist nicht tot. Du weißt doch, dass Katzen neun Leben haben, oder?» Als Pheen erwiderte, ja, davon habe sie schon gehört, sagte der Mann: «Nun, zufällig weiß ich, dass dies für deine Muffin erst das dritte Leben war, sie hat also noch sechs Leben übrig.»
Pheen fragte, woher er das wisse. Er sagte, das sei eben so, er wisse solche Dinge, es sei eine angeborene Gabe. Er habe keine Ahnung, wie es funktioniere oder warum es so sei, aber in seinen Gedanken zeigten sich oft Katzen und plauderten mit ihm. Nicht mit Worten natürlich, aber in Bildern.
Dann setzte er sich neben sie auf die Straße und sagte, alle sollten ganz still sein – mucksmäuschenstill. Er wolle sehen, ob Muffin Kontakt zu ihm aufnehme. Sie saßen etliche Minutenschweigend da, und plötzlich packte der Mann Pheen bei der Hand!
«Ah – ja! Da ist sie! Sie wird genau in diesem Augenblick geboren! In einem Herrenhaus – nein, einem Schloss. Ich glaube, sie ist in Frankreich – ja, sie ist in Frankreich. Ein kleiner Junge liebkost sie, streicht ihr übers Fell. Er hat sie schon jetzt sehr lieb, und er wird sie – wie merkwürdig, er wird sie Solange nennen. Ein seltsamer Name für eine Katze, aber gut. Sie hat ein langes, schönes, aufregendes Leben vor sich. Diese Solange hat viel Temperament, viel Feuer, das sehe ich schon jetzt!»
Großmama Pheen erzählte Isola, sie sei so gebannt gewesen von Muffins neuem Schicksal, dass sie aufhörte zu weinen. Aber, so sagte sie zu dem Mann, sie würde Muffin trotzdem schrecklich vermissen. Der Mann zog sie hoch und sagte, natürlich würde sie das – sie
sollte
um eine so prächtige Katze, wie Muffin es gewesen war, trauern, und ihr Kummer würde gewiss noch eine Weile anhalten.
Er wolle, sagte er zum Abschied, gelegentlich mit Solange in Verbindung treten und herausfinden, wie es ihr ergehe und was sie
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