Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
Vom Netzwerk:
Illustrationen
geschickt hat. Es ist ein sehr nützliches Buch, und ich danke Dir dafür. Ich habe es eifrig studiert und bin so weit, dass ich einen ganzen Kopf voll Höcker abtasten kann, ohne mehr als drei oder vier Blicke in das Buch zu werfen. Ich hoffe, dass ich beim Erntedankfest für die Kirche einen Haufen Geld scheffeln werde, denn wer wollte nicht wissen, was die Wissenschaft der Phrenologie über die Vorgänge in seinem Innersten, seien sie nun gut oder verwerflich, zu sagen hat? Dem kann niemand widerstehen.
    Sie hat mich wie ein Blitz getroffen, diese Wissenschaft der Phrenologie. Ich habe in den letzten drei Tagen mehr gelernt als vorher in meinem ganzen Leben. Mrs.   Guilbert war immer schon ein böses Weib, doch nun ist mir klar, dass sie nichts dafür kann – sie hat eine große Mulde an der Stelle, wo die Warmherzigkeit angesiedelt ist. Als kleines Mädchen ist sie in den Steinbruch gefallen, und ich vermute, dass ihre Warmherzigkeit dabei zu Schaden gekommen ist, und zwar irreparabel.
    Selbst meine eigenen Freunde stecken voller Überraschungen. Eben ist schwatzhaft! Das hätte ich nie von ihm geglaubt, aber er hat Tränensäcke, und es gibt nichts daran zu deuteln. Ich habe es ihm schonend beigebracht. Juliet wollte zunächst nicht, dass ich ihren Kopf abtaste, erklärte sich aber schließlich bereit, als ich ihr sagte, sie hindere die Wissenschaft an ihrem Fortgang. Sie quillt förmlich über vor Liebesdurst, jawohl. Und ehelicher Liebe. Ich sagte zu ihr, es sei ein Wunder, dass sie nicht verheiratet sei, bei den gewaltigen Ausbuchtungen, die sie da hat.
    Will gackerte los: «Da kann sich Ihr Mr.   Stark aber glücklich schätzen, Juliet!» Juliet wurde rot wie eine Tomate, und ich hätte mich beinahe vergessen und ihm gesagt, dass er schief gewickelt ist, wo Mr.   Stark doch homosexuell ist, aber ich habe an mich gehalten und Dein Geheimnis gewahrt, wie versprochen.
    Dawsey war im Nu auf und davon, deshalb bin ich nicht bis zu seinen Höckern vorgedrungen, aber ich nehme ihn mir bald vor. Mitunter ist der Mann mir ein Rätsel. Eine Zeit lang war er munter und gesprächig, aber seit neuestem bringt er die Zähne nicht mehr auseinander.
    Nochmals vielen Dank für das schöne Buch.
     
    Deine Freundin
    Isola

Telegramm von Sidney an Juliet
    6.   August 1946
     
    Habe gestern bei Gunthers kleinen Dudelsack für Dominic erstanden. Hätte Kit auch gern einen? Gib baldmöglichst Bescheid, sie haben nur noch einen da. Wie geht es mit dem Schreiben voran? Dir und Kit alles Liebe. – Sidney

Juliet an Sidney
    7.   August 1946
    Lieber Sidney,
    Kit wäre begeistert von einem Dudelsack. Ich nicht.
    Ich glaube, mit der Arbeit geht es sehr gut voran, aber ich würde Dir gern die ersten zwei Kapitel zuschicken – mir ist nicht recht wohl, bis Du sie gelesen hast. Findest Du Zeit dafür?
    Jede Biographie sollte binnen einer Generation nach Ableben ihres Gegenstands geschrieben werden – solange er oder sie noch lebhaft in Erinnerung ist. Stell Dir vor, was ich für Anne Brontë hätte tun können, wenn es mir möglich gewesen wäre, mit ihren Nachbarn zu sprechen. Vielleicht war sie in Wirklichkeit ja gar nicht lammfromm und melancholisch, sondern von aufbrausendem Temperament und hat einmal pro Woche Geschirr zerschlagen.
    Jeden Tag erfahre ich etwas Neues über Elizabeth. Wie sehr ich mir wünsche, ich hätte sie persönlich gekannt! Beim Schreiben ertappe ich mich dabei, dass ich an sie als eine Freundin denke, mich an Dinge, die sie erlebt hat, erinnere, als wäre ich dabei gewesen – sie ist mir so gegenwärtig, dass ich mir immer wieder sagen muss, dass sie tot ist, und dann schmerzt mich ihr Verlust umso mehr.
    Nach der Geschichte, die ich heute von ihr hörte, hätte ich mich am liebsten verkrochen und geweint. Eben hatte uns zum Abendessen eingeladen, und danach gingen Eli und Kit hinaus, um nach Regenwürmern zu graben (eine monotone Beschäftigung, der man am besten bei Mondschein nachgeht). Eben und ich setzten uns mit unserem Kaffee nach draußen, und zum ersten Mal sprach er aus freien Stücken mit mir über Elizabeth.
    Es geschah in der Schule, wo Eli und die anderen Kinder auf die Schiffe warteten, mit denen sie evakuiert werden sollten. Eben war nicht dabei, weil die Familienangehörigen nicht zugelassenwaren, aber Isola sah es mit an und erzählte ihm noch am selben Abend davon.
    Im Warteraum wimmelte es von Kindern, und Elizabeth knöpfte Eli gerade den Mantel zu, da sagte er ihr,

Weitere Kostenlose Bücher