Deine Seele in mir /
und wunderbar riecht.
Ich höre, wie hart Amy beim Anblick ihrer Mutter schluckt.
Evelyn kommt derweil langsam auf uns zu. Ihre noch immer mittelbraunen Haare trägt sie nun etwas kürzer, und natürlich ist sie gealtert. Allerdings nicht besonders.
Ihre Gesichtszüge hatte ich etwas sanfter in Erinnerung, doch die kleinen Fältchen um ihre Augen bringen die vertraute Gutmütigkeit zurück. Sie trägt eine braune Stoffhose und eine helle Bluse, die perfekt zu ihren strahlend blauen Augen passt.
»Guten Tag! Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie mit einem freundlichen, jedoch distanzierten Lächeln. Auch ihr Blick wirkt eher prüfend.
»Guten Tag, Mrs Charles. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern. Ich bin …«
»Matty!«, ruft sie aus und schlägt ihre Hand vor den Mund.
Für einen Moment kann ich nicht ausmachen, ob sie erfreut, überrascht oder sogar schockiert ist. Vielleicht weiß sie das selbst nicht so genau.
Wahrscheinlich trifft eine Mischung aus all diesen Empfindungen ihren momentanen Gemütszustand am ehesten. Sie braucht jedenfalls einige Sekunden, um sich zu fassen und sich für die Freude zu entscheiden – vorerst zumindest.
»Matty, du hast dich verändert. Mein Gott, wer hätte gedacht, dass du mal so groß wirst. Komm rein, mein Junge. Na los, komm schon rein!«
Ich wende mich Amy zu. Sie kämpft stumm und tapfer mit den Tränen, ich sehe es genau. Der Blick ihrer Mutter jedoch ist so sehr auf mich fixiert, dass Evelyn ihrer Tochter, in diesem fremden Körper, keinerlei Beachtung schenkt. Noch immer sieht sie mich an, als würde ein Geist vor ihr stehen.
»Peter!«, ruft sie, nimmt mich bei der Hand – wie den kleinen Jungen, als den sie mich in Erinnerung hat – und führt uns in das kleine, gemütliche Wohnzimmer, noch bevor Amys Dad antwortet.
»Sieh nur, wer uns besucht. Mal sehen, ob du ihn erkennst.«
Peter Charles sitzt auf seinem Sessel und betrachtet durch eine Lupe ein dickes Album. Briefmarken, fällt es mir sofort wieder ein. Sein größtes Hobby neben dem Angeln. Ja, manche Dinge ändern sich wirklich nie. Dinge wie Hackbraten und Briefmarken.
Dinge, die ein Zuhause ausmachen und die Toms und Kristins Position womöglich stark zum Schwanken bringen. In diesem Moment hoffe ich sehnlichst, dass Amy und ihre neuen Eltern genügend Zeit miteinander verbracht haben, um mittlerweile so etwas wie eine Bindung zueinander zu haben. Alles andere wäre schrecklich unfair den beiden gegenüber.
Amy quetscht meine linke Hand mittlerweile regelrecht zwischen ihren Fingern ein – ohne es überhaupt zu bemerken, wie ich befürchte. Sie ist angespannt, und ich mache mir große Sorgen um sie, als all diese trotz der vergangenen Jahre noch immer so bekannten Eindrücke ungefiltert auf uns einwirken.
Während unserer Überlegungen im Vorfeld hatten wir versucht, uns die unterschiedlichsten Szenarien auszumalen.
Wir wollten uns – so gut es eben möglich war – auf das Bevorstehende vorbereiten. Doch ich wette, auch Amy hatte nicht mit der Macht der Gerüche und mit der vertrauten Stimmung dieses Hauses gerechnet, die ihre Familie so individuell und einzigartig macht und aus der es nun kein Entkommen mehr gibt. Ich hoffe wirklich, dass sie stark genug ist, um all das zu verkraften.
Ihr Vater blickt von seiner Briefmarkensammlung zu uns auf.
»Matt«, sagt er ohne das geringste Zögern, ohne den leisesten Zweifel. Er erhebt sich langsam – ein Bild der Ruhe.
Auch Peter hat sich nicht sonderlich verändert – sogar noch weniger als seine Frau. Lediglich sein Haar ist an den Schläfen etwas grau geworden, und auch seine Gesichtszüge wirken verhärmter, als ich sie in Erinnerung hatte. Lächelnd streckt er mir seine Hand entgegen.
»Ich wusste, dass der Tag kommen wird, an dem ich dich wiedersehe. Wie geht’s dir, Junge?«
Er ergreift meine rechte Hand und zieht mich an sich. Amy lasse ich dabei jedoch nicht los.
Als Peter seinen Arm um mich legt und mir väterlich auf die Schultern klopft, wird mir anders zumute. Die Intimität seiner Geste trifft mich unerwartet und versetzt mir einen leichten Schock.
»Guten Tag, Mr Charles«, erwidere ich mit zittriger Stimme. Dann kehren meine Gedanken schnell zurück zu Amy, die nach wie vor hinter mir steht, mir die linke Hand zerquetscht und – offensichtlich gerührt – die Lippen aufeinanderpresst. Schnell wende ich mich ihr zu und ziehe sie, mit einem Arm um ihre Taille, dichter an mich heran.
»Das ist meine Freundin
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