Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
Vom Netzwerk:
andere als sicher. Sein wütender Blick bleibt schließlich an Amy haften.
    Evelyn, die ich behutsam auf dem Sessel abgesetzt habe, greift nach dem Arm ihres Mannes und zieht ihn mit aller Kraft zu sich heran. Sie ist so weiß wie die Wand, ihre Hände zittern.
    »Das ist Amy«, flüstert sie schwach, klingt dabei jedoch tausendmal bestimmter als ihr tobender Mann. »Und du wirst unsere Tochter nicht vor die Tür setzen!«
    Im selben Moment sackt Amy zusammen. Kniend schmeißt sie sich in den Schoß ihrer Mutter und umarmt sie zum ersten Mal seit über einundzwanzig Jahren. Nun gibt es kein Halten mehr. Der Damm ist gebrochen, die Gefühle fließen ungehemmt.
    »Mom!«, ruft Amy. Ein tiefes Schluchzen entringt sich ihrer Kehle und schüttelt sie.
    Weinend liegen sich die beiden in den Armen, und es dauert nicht sehr lange, bis Evelyn den Kopf ihrer Tochter streichelt und ihr beruhigende Worte zuflüstert. »Ist ja gut, Süße. Es wird alles wieder gut, mein Schatz! Du bist zu Hause.«
    Peter sieht völlig fassungslos auf die beiden Frauen vor ihm hinab. Als er sich abwendet, bleiben seine Augen – zu schmalen Schlitzen zusammengepresst – einen Moment lang auf mir haften, doch dann stürmt er wortlos in die Küche.
    Wenige Sekunden später kehrt er mit einem vollen Glas Wasser in der Hand zurück. Anstatt es jedoch, wie erwartet, Evelyn zu reichen, trinkt er es selber in wenigen, langen Zügen aus.
    »Das kann nicht sein«, stammelt er danach immer wieder, ohne den verwirrten Blick von dieser scheinbar fremden jungen Frau zu lassen, die noch immer in Evelyns Armen liegt und wie ein kleines Mädchen weint.
    Schließlich besinnt sich seine Frau und sieht ihn an. »Komm her, Schatz! Sieh in ihre Augen, du wirst es erkennen. Sie hat Amys Seele. Es ist wahr!«
    Doch Peter schüttelt energisch den Kopf. Er ist mittlerweile so bleich, dass ich mir ernsthafte Sorgen um ihn mache. Auch Amy blickt nun zu ihm empor. Sie lässt die Hand ihrer Mutter nicht los, als sie sich langsam aufrichtet und Peter fest ansieht.
    »Ich habe etwas für euch mitgebracht.«
    Mit einem kurzen Blick gibt sie mir zu verstehen, nun das große Paket aus dem Kofferraum zu holen. Wortlos wende ich mich ab. Wie ein Statist in einem Theaterstück versuche ich, mich nützlich zu machen, ohne dabei in die Handlung einzugreifen.
    Ich beeile mich, damit die momentane Stimmung nicht erneut kippt und uns womöglich doch noch alle Pforten vor der Nase verschlossen werden.
    Verwundert stelle ich fest, dass das akkurat verschnürte Paket viel leichter ist, als seine Größe es erahnen lässt.
    Als ich das Wohnzimmer erneut betrete, hat sich Gott sei Dank noch nichts an dem Bild verändert: Amy hält nach wie vor Evelyns Hand. Ihre Mom sieht zu ihr empor und streichelt Amys Handrücken. Immer wieder schmiegt sie ihre Wange dabei an die Hand ihrer Tochter. Amy schaut tief in die Augen ihres Vaters, der sich extrem schwer damit tut, ihrem unerschütterlichen Blick standzuhalten.
    Es herrscht Schweigen – was gut ist, denn jedes Wort wäre angesichts der noch immer spürbaren Anspannung zu viel.
    »Hier ist es«, sage ich leise und scheine damit alle aus einer Art Starre zu reißen.
    »Danke, Matty.« Amy kommt auf mich zu. Sie wirft mir einen kurzen Blick zu und nimmt das große Paket aus meinen Händen. »Das ist für euch«, sagt sie und reicht es Peter. »Du solltest es öffnen.«
    Ihr Vater scheint nicht zu wissen, wie er reagieren soll. Mürrisch nimmt er das Geschenk schließlich entgegen und reißt sogleich an der Schnur. Zunächst noch etwas zögerlich, dann zunehmend ungeduldiger, zerrt er das Packpapier ab und stößt endlich auf jede Menge bespannter Keilrahmen, deren Rückseiten zunächst einmal sichtbar werden.
    Schlagartig wird mir bewusst, was Amy getan hat. Natürlich – sie hat gemalt. Wahrscheinlich sind das die Bilder, die sie nach ihren nächtlichen Exkursionen immer wieder verhüllt hatte.
    Als Peter langsam den ersten Rahmen wendet und die bemalte Leinwand dem hellen Schein des Tageslichtes aussetzt, halte ich erneut den Atem an.
    Das Bild zeigt Amy, als kleines Mädchen von etwa drei oder vier Jahren, auf dem Schoß ihres Vaters. Peter hält sie liebevoll umschlossen, und in seinen Händen – die vor der neugierig blickenden Amy wieder zusammenkommen – hat er eine kleine Holzfigur, die er gerade mit seinem Taschenmesser bearbeitet.
    Es ist ein unglaublich ausdrucksstarkes Bild und genau das richtige, um Peters Herz zu treffen und es

Weitere Kostenlose Bücher