Deine Seele in mir /
ohne es überhaupt zu bemerken, wie ich vermute.
Ihre Zärtlichkeit tut gut, auch wenn sie wahrscheinlich nicht mal die leiseste Ahnung hat, wie sehr ich es genieße.
»Ich hätte damit rechnen müssen, ich weiß, aber ich kann einfach nicht fassen, dass du die Katze direkt am ersten Tag schon aus dem Sack gelassen hast«, sage ich und kassiere sofort einen empörten Blick.
»Wie bitte?
Das
glaube ich ja wohl nicht.
Du
warst es doch, der mir die eindeutigen Zeichen gegeben hat, es zu tun.«
Oh, das stimmt, der entscheidende Impuls war wirklich von mir gekommen. Amy rollt sich auf den Rücken, die Arme weit von sich gestreckt, und starrt verträumt an die hohe Zimmerdecke. »Ich bin so unglaublich glücklich. Es ist fast
zu
schön, um wahr zu sein, oder? Ich meine, wir beide haben zueinandergefunden, meine Eltern wissen, dass ich in diesem Körper wiedergeboren wurde, und ich habe Geschwister. Drei tolle Geschwister, Matty.«
Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, dessen Ursprung ich für einen Augenblick nicht erklären kann, doch dann wird es mir bewusst: Kristin und Tom finden in Amys Schwärmereien keinerlei Erwähnung.
Amy selbst ist in ihrer Euphorie jedoch nicht mehr zu bremsen. »Zwei Schwestern, die genauso aussehen wie ich … also so, wie ich früher … und ein zuckersüßer Bruder. Sam ist doch wirklich süß, oder?«
Erwartungsvoll sieht sie mich an, winkt jedoch in der nächsten Sekunde schon wieder ab.
»Ach, was frage ich dich?
Du
wirst ihn wohl kaum süß finden. Hoffe ich zumindest.«
Ich knuffe sie leicht in die Seite. »Er ist sehr … nett!«
Sie lässt sich in meine Arme fallen. »Mein Herz ist übervoll«, gesteht sie. »Ich war noch nie so glücklich. All die Jahre, in denen mich niemand gesehen oder gehört hat, haben sich nun endlich doch noch gelohnt. Jetzt müssen wir nur noch nach einer schonenden und gleichzeitig überzeugenden Möglichkeit suchen, meine Geschwister einzuweihen.«
Sofort schüttele ich den Kopf. »Nein, Amy, deine Mom hat recht.«
Lange hatte sie dieses Thema mit ihren Eltern noch diskutiert, war aber zu keinem eindeutigen Beschluss gekommen. Nun, da wir allein sind und es sich nicht mehr so anfühlt, als würde ich ihr in den Rücken fallen, bin auch ich bereit, Stellung zu beziehen.
»Das ist ein heikles Thema. Jenny ist noch ein Kind, und auch bei Sam kann ich nicht so recht einschätzen, wie reif er schon ist. Sie können vielleicht noch nicht erfassen, wie wichtig es ist, diese Sache für sich zu behalten. Uns allen ist doch klar, dass man uns für alle Zeiten als Verrückte abstempeln würde, sollte unsere Behauptung bekannt werden. Und für Jenny und Sam könnte ein einziges falsches Wort oder ein kleiner Versprecher jahrelange Hänseleien zur Folge haben. Hast du daran schon gedacht?«
Amys Gesichtsausdruck verrät, dass sie bisher noch nicht daran gedacht hat; und auch ihr Schweigen scheint eine Bestätigung meiner Vermutung zu sein.
Einige Sekunden kuschelt sie sich still an meine Brust, dann legt sie ihre gefalteten Hände unter das Kinn und sieht zu mir auf. »Aber irgendwie müssen sie die Wahrheit doch erfahren. Ich meine, überleg doch mal: Sam kannte mich überhaupt nicht, und trotzdem war sofort diese Verbindung zwischen uns da. Wir sind Geschwister, und er hat ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen ist.«
»Ich weiß«, flüstere ich, streiche eine der langen Haarsträhnen aus ihrem süßen Gesicht und drehe sie um meinen Zeigefinger.
»Und was er dich alles gefragt hat, Matty. All diese Einzelheiten, die er wissen wollte – so besorgt und verzweifelt. Es hat mir fast das Herz gebrochen. Die Mädchen und er sind mit meiner Geschichte groß geworden. Mit dem furchtbaren Wissen, was mit mir geschehen ist. Und ich möchte diese Last endlich von ihren Schultern nehmen. Zumindest teilweise. Jenny wird im April zehn Jahre alt. Sie ist nur ein Jahr älter als wir damals.«
»Ich weiß«, versichere ich erneut, doch was wir nun mit Amys Geschwistern machen sollen, ist mir nach wie vor ein Rätsel.
Wir hatten noch lange mit Evelyn und Peter zusammengesessen, nachdem das gemeinsame Abendessen beendet war und sich Sam und Jenny bereits auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten.
Zuvor hatte Amy mit ihren Geschwistern Karten gespielt; sie lachten viel, und dann und wann fluchte Sam leise vor sich hin, wenn eine seiner Schwestern ihn wieder mal abgezockt hatte. Als Jenny, bereits im Pyjama, noch einmal nach unten kam, um uns allen eine
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