Deine Seele in mir /
ihre Eigenschaften und über die Besonderheiten von Häusern, die direkt am oder im Wasser gebaut werden. Was die Zeichnung angeht, hält sich Tom peinlich genau an meine Schilderungen, wofür ich ihm wirklich dankbar bin. Ich bin mir sicher, dass Amy und ich – als die achtjährigen Kinder, die wir waren – etliche architektonische Missstände in dieses Haus eingeplant haben.
Tom jedoch wirft nicht einen Verbesserungsvorschlag ein. Alles, was er tut, ist nachzufragen, zeichnen und erneut nachzufragen. Es freut mich, ihm jedes kleinste Detail genau schildern zu können. Es gibt nicht einen Winkel in diesem Haus, den Amy und ich nicht genau geplant hätten.
Als Tom bereits den ersten groben Grundriss und eine simple Außenansicht aus allen vier Himmelsrichtungen skizziert hat, scheint sein Wissensdurst vorerst gestillt. Kritisch begutachtet er seine Zeichnung, verbessert die ein oder andere Linie, dann nickt er zufrieden.
»Gut, Matt! Ich mache etwas daraus. Du kümmerst dich um das Grundstück. Wenn der Kauf erledigt ist, besorge ich schnellstmöglich sämtliche Genehmigungen. Lass dich nicht über den Tisch ziehen, hörst du? Wenn du Hilfe brauchst, dann bin ich für dich da, das weißt du, oder?!«
Ich nicke. Und ob ich das weiß. Dennoch ist es schön, es konkret zu hören.
Als ich diesen Satz das letzte Mal hörte, kam er aus Peters Mund. Es ist schon komisch. Es sind Amys Väter, die mich nun so behandeln, als wäre ich ihr eigener Sohn. Und zwar beide. Dieser Gedanke bringt mich zum Schmunzeln, wenn auch nur kurz.
»Ich gehe zu Amy«, verabschiede ich mich von Tom, doch als ich bereits auf der ersten Stufe der Treppe stehe, fällt mir etwas auf.
»Wo ist Kristin eigentlich?«
»Sie telefoniert mit Evelyn. Seit Tagen telefonieren die beiden abends stundenlang miteinander. Evelyn ist krank vor Sorge. Sie würde am liebsten hochkommen und nach Amy sehen, doch die Kinder müssen in die Schule, und auch Peter hatte gerade erst Urlaub, wie du ja weißt. Außerdem, was würde ihre Anwesenheit verändern? Elena kommt aber über die Ostertage. Sie besteht darauf, weil sie es Amy versprochen hat.«
Es ist komisch, Tom so selbstverständlich von Amys alter Familie sprechen zu hören – und eigentlich unfassbar schön. Auf eine gewisse Art und Weise verschmelzen durch diese Sätze aus seinem Mund die beiden Leben, die Amy bisher führte, endlich zu einem, und wieder einmal kann ich Kristin und Tom für die großen Herzen, die sie haben, nur bewundern.
»Wissen Evelyn und Peter schon von … dem Baby?«, frage ich zögerlich.
»Nein! Das wirst du ihnen schon selbst beichten müssen«, erwidert Tom mit einem schelmischen Lächeln, das mich in zweierlei Hinsicht erleichtert durchatmen lässt: Erstens bin ich froh, heute Abend nicht
noch
jemandem Rede und Antwort stehen zu müssen, und zweitens erfreut mich Toms gute Laune. Er ist mir nicht mehr böse, meine Mutter hatte recht. Ich widerstehe der Versuchung nur knapp, ihm wie ein Kind die Zunge herauszustrecken. Stattdessen wende ich mich wieder ab und nehme wie gewohnt zwei Stufen auf einmal.
»Matt?« Noch einmal schallt Toms Stimme durch den großen Raum.
»Ja?« Als ich mich umdrehe und ihn ansehe, steht er am Fuß der Treppe.
Verlegen hält er seine Brille in der einen Hand, mit der anderen reibt er über die Bartstoppeln an seinem Kinn. Dann blickt er unsicher zu mir auf. »Alles Gute zur Verlobung, Junge! Ihr habt meinen Segen – auch wenn das heute keinen mehr zu interessieren scheint.«
Ich brauche einige Sekunden, um mich zu sortieren.
Gefühlsmäßig war dieser Abend wie eine extreme Achterbahnfahrt, und Tom lenkt die bereits ausgebremste Bahn nun sanft in die letzte Kurve. Seine Väterlichkeit rührt mich. Er ist ein toller Kerl! Endlich – wie immer, wenn ich nach den richtigen Worten suche, ist auch dieses Mal viel zu viel Zeit verstrichen – schaffe ich es, meinen Mund zu öffnen.
»Danke Tom! Und du irrst dich. Es bedeutet mir eine Menge, dass du uns deinen Segen gibst. Und Amy auch, das weiß ich.«
»Hallo Süße!«, begrüße ich sie leise. Unverändert liegt sie da und starrt an die Decke. Wann immer ich sie so sehe, schnürt es mir das Herz zusammen. Ich muss mich förmlich dazu überreden, tief durchzuatmen.
Ich greife nach dem kleinen Fläschchen auf dem Nachttisch und gebe jeweils einen Tropfen der Flüssigkeit in Amys Augen. Diese Tropfen braucht sie, weil sie viel zu selten blinzelt und deshalb zu trockene Augen hat.
»Amy,
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