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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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kleiner Junge, du hattest panische Angst. Mach dir keine Vorwürfe. Bitte!«
    »Mache ich aber. Früher, noch ehe ich von Amys Wiedergeburt wusste, war der größte Vorwurf, den ich mir machte, dass ich der Polizei keine brauchbaren Hinweise auf ihren Mörder geben konnte. Ich wusste nur, dass er blaue Augen hatte. Kalte, blaue Augen.
    Dieser Scheißkerl lebt wahrscheinlich auch jetzt noch auf freiem Fuß, und Amy ist bis heute in gewisser Weise eine Gefangene. Das ist so ungerecht, und ich fühle mich so, als trüge ich die Schuld daran.«
    »Nein, Matt, das ist nicht wahr«, widerspricht Elena energisch. »So etwas darfst du nicht denken. Nicht mal für eine Sekunde! Amy liebt dich, du bist ihr ganzes Glück!«
    Sie drückt meinen Oberschenkel ein wenig, und ich bin froh, dass wir nun endlich da sind. Tränen trüben meine Sicht. Bereits seit ungefähr zwei Meilen kann ich die Straße nur noch sehr verschwommen erkennen. Die Landschaft besteht aus zerlaufenden Flecken, deren Farben zu hell und zu warm zu sein scheinen.
    Sie sind unvereinbar mit meinen Gefühlen. Wie kann die Sonne scheinen? Es ist mir unbegreiflich; es wirkt unangebracht.
    Kristin steht bereits in der Tür und winkt.
    »Ist sie das?«, fragt Elena. Freudig winkt sie zurück, ohne meine Antwort abzuwarten.
    »Hallo Elena«, ruft Kristin, als sie uns entgegenläuft.
    Die beiden umarmen sich, und kurz darauf erscheint auch Tom im Türrahmen. In der sympathischen Art dieser Familie wird Elena willkommen geheißen. Doch bevor sie bereit ist, sich an den gedeckten Kaffeetisch zu setzen, tritt sie von einem Fuß auf den anderen und blickt hilfesuchend zu mir auf.
    »Ich denke, Elena würde zuerst gerne ihre Schwester begrüßen«, werfe ich ein.
    »Oh, sicher. Wir sind so aufgeregt, Elena, bitte entschuldige.« Kristin ist ein wenig verlegen.
    »Ich bin auch aufgeregt!«, gesteht Elena. »Es ist ja auch eine eigenartige Situation – ausgerechnet die Person, die uns alle miteinander verbindet, ist nicht dabei.«
    Ja, da hat sie recht. Ich deute auf die Treppe und gehe dann mit ihrem Gepäck voran.
    »Warte«, wispert Elena, als ich bereits die Hand auf die Türklinke zu Amys Zimmer gelegt habe. Mit geschlossenen Augen atmet sie tief durch, dann blickt sie zu mir auf und nickt.
    Nur sehr zögerlich tritt sie ein. Lena wirft den ersten Blick auf das Bett, und sofort schlägt sie die Hände vor den Mund und beginnt zu weinen.
    »Verdammt! Warum heule ich immer? Was für eine dämliche Eigenschaft! Ich habe mir so fest vorgenommen …«
    »Es ist okay«, sage ich und lege ihr tröstend die Hände auf die Schultern. Für einige Sekunden presst sie sich an mich und verbirgt ihr Gesicht an meiner Brust, bis sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle gebracht hat.
    Dann drückt Elena ihrer Schwester einen Begrüßungskuss auf die Stirn und nimmt neben ihr Platz. Mit zittrigen Händen fasst sie nach Amys Fingern und streichelt sie. »Du musst wieder wach werden. Ich hab dich doch gerade erst kennengelernt. Du hast mir versprochen, wir würden telefonieren und zusammen die Clubs hier unsicher machen. … Amy, bitte! Wir haben so viel nachzuholen.«
    Dieses Bild von der verzweifelten Elena am Bett ihrer reglosen Schwester, die wie eine Wachkomapatientin daliegt und starr an die Decke blickt, ist mehr, als ich verkraften kann.
    »Elena, ich muss dir etwas sagen«, beginne ich langsam.
    Nur Sekunden später schallt ein spitzer Aufschrei durch das kleine Haus, und nach weiteren Sekunden stehen Kristin und Tom in der Tür. Blass vor Schock. Atemlos.
    »Es ist alles okay!«, beruhige ich sie schnell, doch die beiden starren weiterhin auf eine weinende Elena, die an meiner Schulter lehnt und nun ohne jede Hemmungen schluchzt.
    »Lena weiß jetzt, dass sie bald Tante wird«, erkläre ich, und die Gesichter entspannen sich wieder.
    Es wird ein sehr ruhiges Osterfest. Elena hat nun viel Zeit, uns alle so richtig kennenzulernen. Kristin und Tom fühlen eine enge Verbindung zu der jungen blonden Frau, die ihrer eigenen Tochter vom Verhalten her so ähnlich ist.
    Am Osterdienstag fährt Elena wieder ab, ohne dass ihre Anwesenheit auch nur die geringsten Auswirkungen auf Amys Zustand gehabt hätte. Wir alle hatten uns der Hoffnung hingegeben, Lena würde etwas in Amy auslösen – irgendetwas –, doch wir wurden enttäuscht. Amy nahm keine Notiz von ihrer Schwester, ebenso wenig wie von all den Fotos, Spielsachen und sonstigen Erinnerungen aus ihrer Kindheit, die Evelyn uns

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