Deine Seele in mir /
der Waldarbeiter und der Bagger, dessen gigantische Schaufel die restlichen Baumstümpfe entwurzelt, machen einen solchen Lärm, dass sie bestimmt schon mehrfach gerufen hat.
Es dauert einen Moment, bis ich die junge Frau erkenne, die Amy und ich bei unserer gemeinsamen Grundstücksbesichtigung trafen. Mit geducktem Kopf hält sie sich die Ohren zu und grinst mich an.
Ich bedeute ihr, mit mir ein Stück weit aus dieser Geräuschkulisse zu entfliehen. Sie nickt. Mein Blick streift ihren enormen Bauch. Es muss nun bald so weit sein.
»Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht bemerkt«, rufe ich ihr nach einigen Metern zu. Als sie zu mir aufsieht und abwinkt, bemerke ich den sanften Blick ihrer Augen, die mich ein wenig an die meiner Mutter erinnern. Sie lächelt.
»Ich war nur neugierig«, gesteht sie. »Ich musste einfach wissen, ob Sie wirklich unsere neuen Nachbarn werden. Es freut mich sehr, dass es so ist.«
»Wirklich?« Mein Erstaunen über diese unbefangene Herzlichkeit ist unverhohlen, doch ihr Lächeln steht. Aufrichtig und fest.
»Ja, wirklich! Sie und Ihre Frau waren sehr nett und es hätte mich enttäuscht, wenn hier jetzt doch ein anderer gebaut hätte.«
»Schön, dass ich Sie beruhigen kann.«
»Ja, wirklich sehr schön.« Sie streckt mir ihre Hand entgegen. »Mein Name ist Carolyn, hallo!«
»Matt Andrews. Freut mich sehr.«
»Matt?«, fragt sie noch einmal nach.
»Matthew«, bestätige ich in der Annahme, mein Name hätte sie durch den enormen Lärm nur undeutlich erreicht. Ihr schiefes Lächeln und die hochgezogenen Augenbrauen belehren mich jedoch eines Besseren.
»Schöner Name«, erwidert Carolyn bedeutungsvoll. Ich gebe ihr Lächeln zurück, wenn auch ein wenig verständnislos. Dann deute ich auf ihren Bauch. »Wie lange haben Sie denn noch?« Kaum vorstellbar, dass Amy in ein paar Monaten schon so ähnlich aussehen wird.
»Planmäßig sind es noch zwei Wochen, aber ich habe mir sagen lassen, dass die Ersten gerne mal auf sich warten lassen«, sagt Carolyn. Ihre Hände gleiten gedankenverloren über ihren Bauch; liebevoll tätschelt sie ihn. Schmerzlich wird mir bewusst, dass dies die Berührungen sind, die unserem Kind fehlen – auch wenn ich versuche, Amy zu vertreten, wann immer es geht.
»Wir werden sehen. Raus kommen sie bekanntlich alle«, meint Carolyn und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Sie ist etwa so alt wie ich und strahlt eine gewisse Vertrautheit aus, die ich mir jedoch nicht erklären kann.
Eine männliche Stimme ertönt hinter mir. »Hier bist du.«
»Ja, hier bin ich.« Carolyns dunkle Augen funkeln glücklich über mich hinweg.
Ich wende mich um und stehe vor einem großen Mann. Es ist selten, dass mich jemand körperlich überragt, aber dieser Mann ist noch ein paar Zentimeter größer als ich. Freundlich streckt er mir seine Hand entgegen. »Fred Cane, hallo!«
Ich schüttele Freds Hand und stelle mich ihm ebenfalls vor. Auch seine Augen fallen mir auf. Sie sind umsäumt von vielen kleinen Fältchen, die sein Gesicht gütig wirken lassen, sobald der Ansatz eines Lächelns um seine Mundwinkel spielt. Auch ihn umgibt diese schwer fassbare Vertrautheit. Vergeblich versuche ich, mich daran zu erinnern, wo ich den beiden schon einmal begegnet bin.
»Das ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe, Fred«, erklärt Carolyn und drückt sich an ihren Mann, der liebevoll einen Arm um ihre Schulter legt.
Ein beklemmendes Gefühl steigt bei dem Anblick dieses offensichtlich glücklichen Paares in mir auf. Es ist Eifersucht.
Nicht, dass ich ihnen ihr Glück nicht gönne, doch wie gerne hätte ich Amy bei mir. Wie gerne würde ich sie genauso im Arm halten wie Fred Carolyn hält; wie gerne würde ich sie als meine zukünftige Frau vorstellen. Wir könnten hier stehen und auf unseren Bauplatz blicken. Auf unseren großen Traum.
»Wo ist Ihre Frau eigentlich?«, fragt Carolyn in diesem Moment, als könne sie meine Gedanken lesen.
»Amy? Sie ist nicht meine Frau. Also, noch nicht. Sie ist … krank, muss liegen«, stammele ich etwas überrumpelt.
»Oh, es ist doch nichts Schlimmes?«
»Nein, nein«, wehre ich schnell ab. Angesichts der Tatsache, dass ich ihr sowieso nicht die volle Wahrheit sagen kann, beschließe ich, doch wenigstens einen Teil davon preiszugeben. »Ehrlich gesagt, ist sie schwanger.«
»Oh, wirklich? Das ist ja phantastisch!«, sprudelt es aus Carolyn hervor, und auch Fred gratuliert mir sofort.
Mit Stolz zeige ich die letzten
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